Viele Menschen befürchten bei der Umrüstung auf E-Mobilität strukturelle Schwächen: Eine häufig diskutierte Sorge ist, dass es nicht genügend Lademöglichkeiten geben könnte, sollten plötzlich sämtliche Menschen E-Autos kaufen. Stimmt das?
Nein, ganz sicher nicht. Man muss allerdings zwischen Stadt und Land unterscheiden: In der ländlichen Region kann ich zu Hause noch eher aufladen. In der Stadt, wo ich etwa in einer Mietwohnung lebe, kann es mit einem Elektroanschluss schwieriger sein. Aber es werden sehr viele Ladesäulen gebaut, es gibt reichlich Förderprogramme für die Ladeinfrastruktur. Einige Firmen bauen ebenso auf ihren Parkplätzen aus. Ich sehe zum Beispiel, dass Handelsketten sich mit Ladesäulen ausstatten. Da passiert also einiges. Man muss zudem den Gleichzeitigkeitsfaktor und das Lastmanagement berücksichtigen.
Was versteht man darunter?
Lastmanagement bedeutet im Grunde, dass man die Stromlast sinnvoll verteilt: Die meisten Leute ziehen den Strom für ihr Auto, bevor sie zur Arbeit fahren oder wenn sie abends nach Hause kommen. So muss bedacht werden, dass Ladesäulen oft gleichzeitig genutzt werden – das ist wiederum der Gleichzeitigkeitsfaktor (siehe Kasten). Plant man große Parkhäuser mit 200 Ladesäulen, entsteht da eine Netzlast, die – wenn man es falsch macht – wirklich sehr hoch sein kann. Weil sehr viel Strom gleichzeitig gezogen wird und viele Autos gleichzeitig getankt werden wollen.
Ihre Firma entwickelt Softwares für effiziente Energiemanagementsysteme. Auch bei MANN wird eine solche genutzt. Wie sieht diese Lösung im gewerblichen Bereich aus?
Dazu misst man die Leistung, die über das Netz bezogen wird, etwa die Ladesäulen der Firma MANN. Geschäftsführer Markus Mann achtet auf die Lastspitze, eine kurzzeitig auftretende, hohe Stromnachfrage, die er teuer bezahlen muss. Entsprechend hat er natürlich ein Interesse daran, diese Spitze zu begrenzen. Dies führt immerhin auch zu einer Verbesserung der Effizienz des Gesamtnetzes, weil insgesamt weniger Strom zur gleichen Zeit bezogen wird. Dafür setzt Markus Mann die Software ein: Man macht mit ihr eine Prognose, wie sich die Lastspitze verändern wird. Wenn es „kritisch“ wird, wird Last abgeworfen, es werden also Verbraucher herausgenommen. Das ist bei MANN zum Beispiel irgendeine Presse im Pelletwerk oder auch eine Ladesäule, die dann mal für zwei, drei Minuten aussetzt. Leistung wird also reduziert oder begrenzt. Man bekommt so schon die Batterie seines Elektroautos voll, der Ladevorgang dauert dann nur ein bisschen länger.
Lässt sich dieses Prinzip auch ähnlich auf eine Innenstadt-Infrastruktur übertragen?
Nehmen wir das Beispiel Parkhaus: Wenn ich mein Auto da lasse, um zu arbeiten, dauert das ja üblicherweise länger als zwei Stunden, da spielt dieses zeitliche Verschieben überhaupt keine Rolle. Und wenn man als Kurzzeitparker kommt, muss man entsprechend schneller bedient werden, als jemand, der acht Stunden steht. Bei letzterem wird die Leistung gedrosselt. Die Lösung der „Überlastung“ ist immer ein durchdachtes Vorgehen. Das Lastmanagement läuft somit über ständiges Überwachen, Analysieren und Prognostizieren.
Nun ist nicht jedes E-Auto gleich. Müssten für eine funktionierende Ladeinfrastruktur nicht öffentliche Ladestationen mit allen Modellen kompatibel sein?
Ich denke, da ist schon viel passiert. Sie können mit jedem Auto an Ladesäulen ran. Ja, man muss sicherlich einen Adapter im Kofferraum mitführen, aber das sollte eigentlich kein Problem sein.
Was ist mit der Abrechnung? Eine Untersuchung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ergab kürzlich, dass der durchschnittliche Fahrer bis zu sechs verschiedene Lade-Apps, fünf Ladekarten sowie weitere elektronische Zahlungsmittel wie PayPal und Kreditkarten verwendet...
An der Stelle muss ich ganz klar sagen: Da haben wir ein echtes Problem, das stimmt! Mein Schwiegervater ist 80 Jahre alt. Für ihn wäre ein Elektroauto sogar genau das Richtige, da er eh nur Kurzstrecken fährt. Aber mit dem „Tanken“ käme er nicht klar. Das ist viel zu kompliziert. Da ist also allein die ältere Generation meiner Meinung nach schon sehr überfordert.
Was könnte man dagegen tun?
Das kann ich schwer sagen. Da hat sich noch kein Verfahren so richtig durchgesetzt. Aber wenn wir ein bisschen geduldig sind, wird das noch geschehen. Ich denke, der Markt wird das schon richten.
Halten Sie es für realistisch, dass tatsächlich mehr Menschen Elektroautos kaufen, wenn es nur mehr Ladesäulen gibt? Oder muss es noch weitere Anreize geben?
Das ist eine Phase, bei der man vielleicht einfach noch ein bisschen die Entwicklung abwarten muss. Die Autos kommen ja jetzt erst so richtig. An der A8 bei Augsburg gibt es ein Projekt, bei dem 300 Ladesäulen gebaut werden. Interessanterweise ist das eine Raststätte, die ein bisschen wie ein „Einkaufszentrum“ funktioniert. Es gibt viele Ansätze, mit denen das Thema Elektromobilität verknüpft werden kann. Bei einer Handelskette wurden Ladesäulen kürzlich direkt neben der Cafeteria gebaut, so dass dort unter Umständen vielleicht mehr Umsatz gemacht werden kann. Das Ganze hat auch etwas mit einem Geschäftsmodell zu tun, mit Zusatznutzen.
Eine vollständige Umstellung auf Elektromobilität würde den Strombedarf bei uns zulande extrem erhöhen. Reichen hier erneuerbare Energien, um diesem enormen Bedarf überhaupt gerecht zu werden?
Die Elektromobilität ergibt umweltpolitisch nur Sinn, wenn wir auch grünen Strom nutzen, ganz richtig. Wir müssen daher die erneuerbaren Energien ausbauen, und da stockt es gerade noch gewaltig. Gerade im Windkraftbereich ist der Ausbau völlig zum Erliegen gekommen. Wir haben an der Stelle doch wirklich ein Problem. Wenn wir jetzt schlagartig alles auf E-Mobilität umrüsten würden, würde es nicht reichen. Wir müssen daher über die Zeit spielen und dafür sorgen, dass etwa Windkraft ausgebaut wird und Anlagen weiterlaufen können.