Ökostrom statt Werbung
/„Sehr einfache Regularien vom Netzbetreiber und auch Eigenverbrauchsregeln haben dies möglich gemacht“, antwortet Markus Mann auf die Frage, wie es nur sein kann, dass sein Schweizer Tochterunternehmen „Mann Energie Suisse“ zwar erst im Frühjahr letzten Jahres eine Photovoltaikanlage für die Heizzentrale Anzère geordert hatte, diese jedoch bereits seit dem 26. November „grünen“ Strom liefert. In Deutschland hört man dagegen vielfach Klagen (speziell von Unternehmen) über fertige und eigentlich betriebsbereite, jedoch noch nicht angeschlossene PV-Anlagen, die seit Monaten der Anbindung ans Stromnetz harrten.
„Vorhandene Netzkapazitäten durch gemeinsamen Netzverknüpfungspunkt („Überbauung“) und mehr Netztransparenz effizienter nutzen/Kommunikation mit Netzbetreibern schnell, einfach und digital gestalten/Mehr Verbindlichkeit auch für Netzbetreiber herstellen“: So lauten Forderungen in einem aktuellen Zehn-Punkte-Papier des „Bundesverbandes Solarwirtschaft e. V.“ (BSW Solar), das der Redaktion „Wäller Energiezeitung“ vorliegt. Man könnte daraus entnehmen, dass die Organisation ihrerseits beobachtet, dass es beim „Anklemmen“ ans Stromnetz hapert, weshalb der Zu- beziehungsweise Ausbau der Photovoltaik in Deutschland nicht mit dem maximalen Tempo vorankommt.
„Damit der Netzausbau künftig mit dem Ausbau Erneuerbarer Energien Schritt halten kann, bedarf es eines zügigen und vorausschauenden Netzausbaus, einer effizienteren und schnelleren Kommunikation zwischen Anschlussbegehrenden und Netzbetreibern und letztendlich einer aufgeschlossenen Herangehensweise bei der Integration neuer, innovativer Ideen im Bereich Netzanschluss und Netzbetrieb“, betont Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des „BSW Solar“.
Eine „aufgeschlossene Herangehensweise“, wie es Körnig formuliert, ist, was Markus Mann in der Schweiz erlebt, seit dort im Sommer des Jahres 2010 die Bauarbeiten für eine mit Pellets befeuerte Heizzentrale im Ferienort Anzère begannen. Schon das vorangegangene kurze Genehmigungsverfahren war aus deutscher Sicht überaus bemerkenswert: Der Bauantrag für die Heizzentrale wurde im Herbst 2009 gestellt, nach nur acht Monaten durften die Handwerker loslegen.
Um das Projekt Heizzentrale umzusetzen, gründete Markus Mann eine Aktiengesellschaft in der Schweiz, an der sich auch die Einheimischen beteiligen konnten. 47 Prozent der Anteile gehören den ersten 14 Großkunden. Das MANN-Tochterunternehmen „MANN Energie Suisse Sarl“ hält die Mehrheit, da die örtlichen Banken einen Hauptverantwortlichen verlangten. „Das waren halt wir, die Familie Mann“, erklärt Markus Mann. Sein Bergsteigerfreund, der Walliser Albert Bétrisey, hat sich in der Gesellschaft seinerseits mit 20 Prozent eingebracht. „So haben die Familien Bétrisey und Mann die Mehrheitsbeteiligung an einer Aktiengesellschaft in diesem Ferienort“, beschreibt Markus Mann.
Das Projekt wuchs und wuchs, aus anfänglich 14 Wärmeabnehmern sind inzwischen über 100 geworden; weitere sollen in dem auf 1.500 Meter Höhe liegenden Ort in diesem Jahr folgen (siehe auch „Eine Unterschrift – das war es“). Bis zum Sommer 2022 versorgten die beiden gleich zu Beginn installierten Heizkessel das Wärmenetz alleine. Mit ihrer Leistung von je 3,15 Megawatt (MW) vermochten sie, einen zuvor deinstallierten 18-MW-Ölkessel zu ersetzen. Damit wird die Verbrennung von jährlich 1,6 Millionen Liter Heizöl vermieden!
Eben in jenem Sommer 2022 wurde ein 880 Kilowatt leistender Spitzenlastkessel zusätzlich von „MANN Naturenergie“ im Alpendorf installiert (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete), der in der warmen Jahreszeit ausreicht, um für wohlig temperiertes Wasser in den angeschlossenen Pensionen, Hotels und Ferienhäusern, dem örtlichen Schwimmbad zu sorgen, und im Winter die zwei Kessel aus 2011 unterstützt, falls es doch einmal richtig knackig kalt wird.
Inzwischen ist das Wärmenetz in Anzère auf eine Gesamtlänge von beachtlichen 4,7 Kilometern angewachsen. Von den gut 8.000 Quartieren für Gäste im Feriendomizil werden dadurch schon 7.000 mit nachhaltiger und vor Ort produzierter Wärmeenergie versorgt.
Am Heizhaus, das an einem Felsen gebaut wurde, warben bis ins vergangene Jahr zwei große Werbebanner für die „Anzère eigene Station mit natürlicher Heizung“. An deren Platz ist nunmehr die PV-Fassadenanlage montiert worden. Sie hat eine Spitzenleistung von 88 Kilowatt und kann so voraussichtlich 98.000 Kilowattstunden Ökostrom im Jahr an Ort und Stelle erzeugen – und damit 40 Prozent des Strombedarfs der Heizzentrale (etwa für elektrische Pumpen) decken, ohne lange Übertragungswege zwischen Stromerzeugung und -verbrauch.
„Im Frühjahr 2025 werden wir noch einen Ladepark zur Verbesserung der E-Mobilitäts-Infrastruktur an die Heizzentrale stellen. Die Gemeinde hat uns großzügig kostenfrei die Flächen zur Verfügung gestellt“, erzählt Markus Mann. So würden zwei Schnelllader sowie vier Elf-KW-Lader errichtet – und ebenfalls mit dem Strom aus der neuen PV-Anlage betrieben. „Es funktioniert, weil in der Schweiz sehr vieles einfach – einfacher als in Deutschland – ist“, resümiert Mann.