Manchmal erinnert eine Tür an die Großeltern
/Wenn man eine Weile mit Markus Löhr zusammensitzt, beginnt er bald zu schwärmen. Von der Begeisterung für sein Handwerk, von Lampen im Oberlicht, handgeschmiedeten Bronzebeschlägen, wiederverwendeten Eisengittern. Er referiert packend über „Bedarfsflügel“, „Fächerprofile“ und geschnitzte Familienwappen. Man merkt rasch: Die Haustüren, die in der Schreinerei Löhr in Höchstenbach gefertigt werden, sind für den Inhaber eine tief empfundene Leidenschaft.
Höchstenbach in der Verbandsgemeinde Hachenburg ist dörflich geprägt: Gut 700 Einwohner, keine zehn Prozent davon mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Es gibt einen Italiener, Grillimbiss, Tankstelle, Bäckerei. Das Flüsschen Wied plätschert gleich hinter Markus Löhrs Betrieb vorbei. „Was los“ ist in Höchstenbach vor allem auf der zu Stoßzeiten unangenehm stark befahrenen Bundesstraße 413, die das Dorf der Länge nach durchzieht und dort obendrein der B 8 begegnet. Oder wenn der Freizeit- und Kulturverein „Zum Weißen Ross“ zum Sommerfest in die „Event-Scheune“ lädt, der evangelische Posaunenchor ein Benefizkonzert spielt oder die örtliche Kirmesgesellschaft die Pfingstkirmes organisiert.
Doch trotz aller Beschaulichkeit: Türen aus Höchstenbach finden sich deutschlandweit und sogar im Ausland! Ja, er habe zum Beispiel bereits nach Dänemark, Frankreich, in die Schweiz oder nach Luxemburg geliefert, bestätigt Markus Löhr. Zuweilen schreitet man selbst an sehr bekannten Orten wie etwa in der Villa Hügel in Essen durch von ihm und seiner Mannschaft gefertigte Portale.
2004 hat Markus Löhr den traditionsreichen Betrieb in fünfter Generation vom Vater übernommen. Der Junior spezialisierte sich rasch auf Türen. „Haustüren waren schon immer mein Steckenpferd“, erklärt er nur knapp. Der Handwerksmeister hat 15 Mitarbeiter – darunter allein sechs mit einem Abschluss als Tischlermeister! Verarbeitet wird entweder Westerwälder Eiche aus dem heimischen Sägewerk Schmitz in Hamm/Sieg, astreines Holz oder – so nennen es die Fachleute – „Altholz“ aus Fachwerkbauten.
Letzteres schneiden die Mitarbeiter der Schreinerei Löhr zunächst auf, erhitzen es auf 70 Grad und reduzieren seine Feuchtigkeit auf elf bis zwölf Prozent. Weiter runter werde es, anders als Möbelholz, nicht getrocknet, erläutert der Schreinereichef. Andernfalls würde sich die spätere Haustür verziehen, wenn sie eingebaut wurde und der Luftfeuchtigkeit ausgesetzt ist.
Aber dann sind die Portale sehr widerstandsfähig. Lackiert wird in Höchstenbach nicht, allenfalls lasiert oder geölt. Vor allem Türen „mit historischem Charakter“ von Jugendstil bis Barock fertigen Löhr und seine Leute, genauso Nachbauten denkmalge- schützter Türen. Trotz der bewusst altertümlichen Optik steckt in den Türen modernste Technik. Fünffach-Verriegelungen bieten Sicherheit auf höchstem Niveau, meist erhalten die Türen auch einen Glaseinsatz. Die Verglasung ist auf Wunsch sehr belastbar und bei Bedarf sogar schusssicher. Kommt Bleiverglasung zum Einsatz, so wird auch diese in Höchstenbach hergestellt.
Sechs bis sieben Monate dauere es nach dem Erstgespräch bis zur eingebauten Tür, beschreibt Markus Löhr. Die gemeinsame Gestaltung mit den Kunden nehme meist zwei bis drei Stunden in Anspruch, „und die Leute kommen oft schon mit genauen Vorstellungen zu uns“, ergänzt der Handwerksmeister.
In dessen Werkstatt werden alle Maschinen mit „MANN Strom“ betrieben, soweit eine eigene PV-Anlage auf dem Dach mit knapp 30 Kilowatt Leistung sie nicht zu speisen vermag. Seine private Bleibe sowie einige Immobilien versorgt Markus Löhr ebenso mit dem echten Ökostrom aus dem Westerwald. Löhr und Mann lernten sich kennen, als Markus Mann, geschäftsführender Gesellschafter von „MANN Naturenergie“, selbst eine neue Tür benötigte. 2014 wurde der Schreinermeister Kunde beim Langenbacher Energielieferanten.
„Aber das mit der Tür war nicht der Hauptgrund, ‚MANN Strom‘ zu beziehen“, schildert Markus Löhr, „es ist mehr, dass es ein Unternehmen ist, zu dem ich Vertrauen habe und das vor der Haustür ist. Ich will nicht jedes Jahr einen neuen Anbieter suchen müssen – aber auch nicht über’s Ohr gehauen werden“, schmunzelt der Höchstenbacher Unternehmer.
In der Werkstatt ist Silas Loch gerade dabei, Ornamente in eine Tür zu schnitzen. Loch befindet sich noch in der Ausbildung, hat aber im bayerischen Wald bereits eine Schnitzschule besucht und hat offenbar „ein Händchen“ für Schnitzarbeiten. „Du machst das wirklich klasse“, lobt sein Chef, als er dem Azubi über die Schulter schaut. Der will im Anschluss an die Lehre bei Meister Löhr ein Jahr lang zu „work and travel“ in Kanada aufbrechen, um mit neuen Ideen zurückzukehren.
Probleme, seinen Personalbedarf zu decken, kenne er nicht, schüttelt Markus Löhr den Kopf. „Richtige Handwerker möchten eine so geile Arbeit machen!“, stellt er heraus und blickt versonnen auf das Bild einer Tür aus der Zeit des Klassizismus. Ein junges Paar sei mit einem alten Foto zu ihm gekommen, erzählt der Westerwälder: „Die jungen Leute hatten ein Haus von den Großeltern geerbt und wollten diesem die Ursprungstür zurückgeben.“ Dafür hätten sie die vor dem Einzug ins Erbe bereits georderte Einbauküche abbestellt. Das Gebäude betritt man dafür nun durch die lediglich anhand der alten Fotografie in Höchstenbach nachgebaute Türe, die an die Großeltern erinnert.
Solche Geschichten kann Markus Löhr zu etlichen seiner Arbeiten erzählen, viele davon sind anrührend. Auf einmal begreift man, warum er anfangs davon gesprochen hatte, dass Haustüren für ihn eine Leidenschaft seien.
Uwe Schmalenbach