Enger Einsatz bei „Westerwälder Holzpellets“

Vor Beginn des Hebevorgangs muss der Kran zwischen Pelletsilos und Holzstapeln genau positioniert und mit Ballast von einem zweiten Fahrzeug zusätzlich beschwert werden.

Zwar hat das Arbeitsgerät, mit dem Henni Judt auf das Firmengelände der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) gekommen ist, seinerseits bereits ein beachtliches Leergewicht von 62 Tonnen. Doch bevor der eigentliche Hebevorgang startet, mit dem die neue Transformatorenstation an den geplanten Platz gesetzt werden wird, lädt der routinierte Kranfahrer weitere 40 Tonnen Ballast auf das Gefährt.

Beim “Umscheren” wird die benötigte Anzahl an. Hubseilsträngen vorbereitet. Jeder Strang könne zehn Tonnen tragen, erläutert Henni Judt.

Fast 30 Jahre lang ist Judt als Fahrer von Autokränen aktiv. Das bullige grün-rote Exemplar, das er früh um sieben zum Westerwälder Energieversorger gesteuert hat, ist seinerseits als Schwertransport mit einer Ausnahmegenehmigung unterwegs gewesen. Denn das Fahrzeug ist ein überbreiter und eben schwerer 250-Tonner: Dieser kann im eingefahrenen Zustand am Grundmast am Fahrzeug theoretisch 250 Tonnen schwere Lasten heben. „Mit jedem Meter, den ich den Mast weiter rauslege, wird das natürlich weniger“, erklärt Judt.

Angefangen habe alles einmal „ganz, ganz klein“, schüttelt Henni Judt den Kopf auf die Frage, ob er während seiner gesamten beruflichen Laufbahn so große Kräne bewegt habe. „Wenn mir vor 30 Jahren jemand gesagt hätte, dass ich heute einen 250-Tonner fahre, hätte ich es nie geglaubt!“

Drei Meter breit ist das für die Trafostation bei den WWP und „MANN Energie“ benötigte Fahrzeug, während Lkw sonst knapp 2,50 messen. Mit dieser Überbreite ist für die Fahrt zum Einsatzort eine „Wegstreckengenehmigung“ erforderlich, in der jede Straße, die Henni Judt nutzen will, aufgeführt sein muss. Allerdings: Die Genehmigungsvoraussetzungen seien im föderalistischen Deutschland einmal mehr von Bundesland zu Bundesland verschieden. So musste Judt sich vom Firmensitz in Burbach bis zu Landesgrenze von Rheinland-Pfalz am „Siegerlandflughafen“ durch ein Begleitfahrzeug absichern lassen; den Rest der Wegstrecke aufs WWP-Firmengelände durfte er ohne zurücklegen. „Da muss man ebenfalls stets genau hinschauen: Was darf ich wo, wo darf ich herfahren?“

Der Kran-Motor leistet knapp 600 PS und bewegt den „Unterwagen“ wie den „Oberwagen“, sprich: Mit ihm fährt der Kran, und ebenso ist das Aggregat der Antrieb beim Heben. „Die 600 PS brauche ich eigentlich hauptsächlich, um die 62 Tonnen Eigengewicht auf der Straße zu bewegen. Der Oberwagen käme mit wesentlich weniger aus“, berichtet Henni Judt, „aber dank der heutigen Elektronik läuft der Motor, wenn er den Oberwagen antreibt, in einem Sparmodus und verbraucht dabei längst nicht so viel Diesel, wie bei der Fahrt auf der Straße.“

Der Einsatz bei den WWP sei durchaus etwas enger gewesen von den räumlichen Verhältnissen, urteilt der Erfahrene: Beim Drehen musste die Trafostation sanft über Holzstapel und eine sie stützende Mauer hinweg gehoben werden. Zugleich stand der Kran begrenzt zwischen Holzstämmen auf der einen und dem WWP-Kraftwerk auf der anderen Seite. „Darum konnten wir nur rechtsherum drehen, obwohl der Weg damit etwas weiter war. Für eine Drehung nach links war allerdings nicht genug Raum. Das muss man schon alles berücksichtigen“, betont Kranfahrer Judt. „Der Ballast zum Beispiel schwenkt 1,10 Meter über die Stützen hinweg. Das muss man beim Aufbauen einplanen, damit man hinterher, wenn gehoben wird, nicht plötzlich feststellt, dass zu wenig Platz ist.“

Viele andere Details wie etwa die Beurteilung, ob unter die Stützen zusätzliche „Baggermatten“ gelegt werden müssten, seien zu beachten. „Der Stützdruck erhöht sich, je weiter ich auslege“, so Judt. „Aber da sind wir hier heute mit einem geringen Risiko gefahren, weil die Stützen nicht sehr weit raus waren. Es hat sich auch nichts verformt am Boden“, urteilt der Fachmann nach getaner Arbeit zufrieden.

Das Rezept, um den Hebevorgang mit dem schweren Transformator am Ende auf den Zentimeter genau hinzubekommen, sei eben wirklich, sich alles genau anzugucken, wenn man ankomme, unterstreicht Henni Judt nochmals. „Wenn es nicht klappt, muss man nämlich zeitintensiv ganz zurück- und umbauen. Unser Außendienst-Kollege war ebenfalls hier und hat sich sämtliches angesehen – aber ich kontrolliere zu Beginn noch einmal für mich, ob er alles bedacht hat. Denn vier Augen sehen bekanntlich mehr als zwei.“

So sei das Fahrzeug, das den Trafo von der Firma Scheidt abgeholt und des Nachts nach Langenbach gebracht hat, sehr lang gewesen, „mit sechs Metern Überhang. Darum haben wir vor Beginn der Arbeiten die Lage hier noch einmal verändert, den Transporter näher herangesetzt. Denn viel weiter als elf Meter hätte man den Kran bei dem Gewicht, das mit dem Trafo angehängt wurde, nicht auslegen können!“

Komplett ausgefahren, wird der Mast des Krans 70 Meter lang. “Dann allerdings könne man noch einen Eimer Wasser dranhängen”, scherzt Kranfahrer Henni Judt.

Selbstverständlich wird das beeindruckende Arbeitsgerät der Firma Dornseiff heute komplett elektronisch per Joystick gesteuert. Und die Technik unterstützt den Kranfahrer vielfältig: Der „Rüstzustand“, die Position, in der gearbeitet wird, wird vorab in einen Bordcomputer eingegeben. „Darauf sehe ich genau, was ich wohin fahren kann, und ebenso regelt die Technik den Grenzbereich ab“, beschreibt Judt die Vorzüge. Eine Ampel über dem Kranführerhaus zeigt grünes Licht, solange die Werte im unkritischen Bereich liegen und würde „gelb“ warnen, wenn es in Richtung der Maxima ginge. „Bei 99 Prozent Auslastung geht die Ampel auf ‚rot‘ – und dann ist auch Ende“, stellt Henni Judt heraus. Während des gesamten Hebevorgangs bei den WWP zeigt die Ampel dank guter Vorbereitung durchgängig „grün“, bis der Trafo an seinem Bestimmungsort aus den großen acht Hacken ausgehängt wird, mit denen der Kran ihn über Holzstapel hinweg gedreht hatte.

Ohnehin: Der Einsatzort bei den WWP sehe „ganz unscheinbar“ aus. „Doch wir stehen hier an einer Schräge mit dem Trafo-Transporter. Das ist immer wieder einer Herausforderung, da die Last dann ja nicht gerade hochgehoben wird, sondern erst am einen Ende. Der Kran biegt sich auch dabei, durch die Biegung verändert sich wiederum die Länge des Krans. Das muss ich ebenfalls im Augen behalten und habe dafür die entsprechenden Anzeigen.“ Bis zu unglaubliche zwei Metern könne die Biegung bei einem langen Mast ausmachen.

Der Reiz an diesem Beruf sei für ihn, sagt Henni Judt vor der Abfahrt zum Rückweg zufrieden, dass man „überall“ unterwegs sei – „vom Pelletwerk bis zur Windkraftanlage. Alles, was schwer ist und gehoben werden muss“, zwinkert der sympathische Kranfahrer. Und in diesem Fall der Energiewende nützt.

Roger Lenser