53 Tonnen Last – für die Energiewende
/Passt auf den Zentimeter! Die neue „Betonstation“, die einen Transformator für „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) und „MANN Naturenergie“ beherbergt, steht jetzt wirklich exakt innerhalb von auf den Boden gesprühten Markierungen. Das klingt zunächst zwar gar nicht so spektakulär – doch das Gebäude wiegt über 50 Tonnen und ist als Ganzes an seinen Standort bugsiert worden! Vorausgegangen ist an diesem nasskalten Morgen lange vor dem Sonnenaufgang begonnene, mehrstündige Präzisionsarbeit, für die unter anderem ein 250-Tonnen-Kran zum Einsatz gekommen ist. Außerdem wurden wochenlang komplizierte Bohrungen vorgenommen, etliche Leerrohre verlegt und kilometerweise Kabel gezogen – um die Energiewende einmal mehr ein großes Stück voranzubringen.
Gut drei Meter breit, über neun Meter lang, 3,71 Meter hoch – und vor allem satte 53,4 Tonnen schwer: Das Aufstellen einer derart dimensionierten Transformatorenstation erfordert eine detailreiche Planung und Koordination der beteiligten Unternehmen. Und einen besonderen Schwertransporter nebst geschicktem Fahrer, der das Bauwerk aus Rinteln nach Langenbach bringen konnte. Dort im Weserbergland, hat die Firma Scheidt ihren Stammsitz – und das Trafohaus für die Westerwälder Energieversorger komplett zusammengebaut, so dass es nach dem Aufstellen „nur“ noch an das firmeneigenen Stromnetz angeschlossen werden muss.
Der Schwertransporter hat sein Ziel, das MANN-Firmengelände in Langenbach, lange vor dem Aufstehen der Menschen im Ort erreicht; abgesichert durch ein Begleitfahrzeug, mit Sondergeneh- migung sowie der Auflage, bis sechs Uhr die öffentlichen Straßen verlassen zu haben, um den einsetzenden Berufsverkehrs nicht zu behindern. Denn das auffällige Gefährt misst mit dem Trafo im Gepäck 27,75 Meter – und ist damit nicht nur sehr schwer, sondern ebenfalls ausgesprochen lang.
Dennoch hat der Fahrer das „Ungetüm“ zentimetergenau – im Rückwärtsgang! – mit nur einem Anlauf zwischen Rundholzstapeln, Zerhacker des SEO-Sägewerkes der WWP und Hackschnitzelhaufen hindurch bugsiert und genau vor dem bereitstehenden Autokran abgestellt.
Zweieinhalb Stunden werden am Ende vergangenen sein, wenn der Kran „gerüstet“ und genau positioniert, die tonnenschwere Last anschließend gehoben und präzise am vorgesehenen Platz abgesetzt ist. Um 9.36 Uhr ist es soweit: Der neue Transformator steht sicher. Doch wozu der ganze Aufwand?
Um zu verstehen, warum die neue Investition der MANN-Gruppe eine Reihe Vorteile bringt und ein wichtiger Baustein ist, der auch zukünftig die Produktion der WWP mit selbsterzeugtem Grünstrom versorgt, die Gebäude von „MANN Naturenergie“ erleuchtet oder die Autos der Mitarbeiter während der Arbeitszeit lädt (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete), empfiehlt sich ein kleiner Exkurs in die zugrundeliegende Technik. Zwei elektrische Spannungen sind dabei wichtig: einmal 400 Volt „Niederspannung“ und daneben eine „Mittelspannung“ von 20.000 Volt oder 20 kV. Auf diese beiden Werte kann die Trafostation den Strom herauf- oder eben heruntertransformieren.
Der MANN-Windpark oberhalb des Ortes Langenbach liefert seine Energie mit einer Spannung von besagten 20 kV. Bislang war er ans Langenbacher Ortsnetz angebunden, das ebenfalls im 20-kV-Bereich funktioniert. Der von den „Windmühlen“ erzeugte Strom war auch zuvor schon „öko“, ging indes direkt ins öffentlich Netz. Mit einer zusätzlichen Kabelverbindung vom Standort der Windenergieanlagen zum neuen Trafo kann der „Windstrom“ – ebenso wie der im WWP-Kraftwerk erzeugte Ökostrom – unmittelbar in Langenbach genutzt werden, um zum Beispiel die CO2-armen Holzpellets zu pressen.
Windräder und Trafo sind genauso mit 20-kV-Leitungen verbunden wie der neue Trafo mit dem WWP-Kraftwerk oder dem aus 112 „second-life“-Batterien aufgebauten Großspeicher auf dem Firmengelände. Das, erklärt Florian Höfer, habe etliche positive Effekte: „Ich habe erheblich weniger Energieverluste bei 20 kV als bei der Niederspannung, da bei gleicher Leistung weniger Strom im Kabel fließt. Weniger Strom führt zu geringerer Reibung im Kabel, weniger Wärme und damit wesentlich geringeren Energieeinbußen“, stellt der gelernte Elektroniker für Betriebselektrik, der sich bei „Mann Naturenergie“ um alle Anlagenprogrammierungen kümmert, einen den ökologischen Gedanken stärkenden Aspekt heraus.
Zudem wären die Kosten der rund 1,9 Kilometer langen Kabelverbindung vom Windpark zum Trafo (die übrigens eine Weiternutzung und Einbindung der ersten Windkraftanlage ermöglicht, die Markus Mann schon 1991 oberhalb des Firmensitzes unter dem Gespött einiger Menschen aufstellte und die heute noch immer volle Leistung bringt) um einen sechsstelligen Betrag höher gewesen, wäre der Windpark anstelle per Mittel- mit Niederspannung angebunden worden. Abgesehen davon, so Höfer, seien die nunmehr benötigten Kabel nur wenige Zentimeter dick. Andernfalls hätten sie jedoch kanalrohrgroße Dimensionen haben müssen. „Es wären logischerweise ebenso mega große Kabelschächte erforderlich gewesen“, erläutert Florin Höfer.
Wenn alle Maßnahmen abgeschlossen sind, werden Windpark, Großspeicher, Kraftwerk, der Anschluss ans öffentliche Stromnetz, das MANN-Firmenarealnetz und eben die Trafostation über deren integrierte „Mittelspannungsschaltanlage“ auf 20 kV-Basis miteinander verbunden sein, wie der Fachmann weiter ausführt. Daneben regelt der Trafo für entsprechende Verbraucher die Spannung von 20 kV auf 400 Volt herunter. Denn mit dieser „Niederspannung“ arbeiten wiederum sämtliche Maschinen wie die SEO-Sägeanlage oder die Absackanlage der „Westerwälder Holzpellets“ ebenso wie die Pelletpressen.
Die zugehörige neue „Niederspannungshauptverteilung“ in der Trafostation löst außerdem eine bisher im Kraftwerk der Langenbacher Energieversorger untergebrachte ab. Deren Maximalleistung von 3.200 Ampere übertrifft die Hauptverteilung in der jetzigen Station mit 8.000 Ampere deutlichst. „Wir haben dann in der alten und neuen Hauptverteilung erheblich mehr Reserven und wesentlich größere Betriebssicherheit“, hebt Florian Höfer hervor. Es sei schon vorgekommen, das eine Pelletpresse beim Anlaufen blockierte: „Dann flog der Hauptschalter raus, und es war in der Vergangenheit erst einmal alles ‚tot‘.“ Das sei nun ausgeschlossen.
Die jetzige Installation bringe zusätzliche Sicherheit: Eine 400-Volt-Versorgung sei sehr träge – während mit dem 20 kV-Netz innerhalb von Millisekunden MANN und WWP vom öffentlich Stromanschluss getrennt werden können und der Batterie-Großspeicher – in dem sonst „überschüssiger“ Ökostrom aus dem Biomasse-Heizkraftwerk, dem Windpark oder den Photovoltaik-Flächen bei den WWP bis zu seiner Verwendung „geparkt“ wird – kann über einen „Koppelschalter“ unterbrechungsfrei die gesamte Last des Unternehmens übernehmen. „Und das würde hier in der Firma niemand mitbekommen“, schildert Florian Höfer den weiteren Vorteil der neuen Technik.
Die ganzen Arbeiten berücksichtigen daneben bereits heute die Option, das Firmenarealnetz eines Tages erweitern zu müssen– beispielsweise, falls noch weitere Gebäude wie Hallen hinzukommen oder zusätzliche Maschinen aufgrund des in der Energiewende logischerweise weiter steigenden Bedarfs an umweltfreundlichen Holzpellets in Dienst gestellt werden müssen.
So ist, wenn man diese Hintergründe kennt, dann doch verständlich, warum man den großen Aufwand betrieben hat, den Trafo, die 53 Tonnen schwere Last so präzise am Aufstellort abzusetzen: Damit wird die vollständige Einbindung des Batterie-Großspeichers ins Firmenarealnetz realisiert, eine neue Schnittstelle zum öffentlichen Stromnetz geschaffen und der Langenbacher Windpark ebenso ins Firmennetz eingebunden. Das alles unter dem Aspekt der Energieoptimierung. Und dieser, sagt Florian Höfer nachdenklich, habe man sich als Lieferant ökologisch sinnvoller Energiearten wie Grünstrom und Holzpellets schließlich verschrieben.
Uwe Schmalenbach