„Klimaneutrales“ Bier aus Hachenburger Tanks
/„Klimaschutz war in den letzten Jahrzehnten schon immer ein Thema für uns! Wenn man eine Brauerei ist, die 1861 hier im schönen Westerwald gegründet wurde und auch von der Natur profitiert – unser Brauwasser kommt komplett naturbelassen aus dem Westerwald, unser Weizen, unsere Braugerste werden vor Ort angebaut, unsere Mitarbeiter wohnen in der Region, die viel Lebensqualität bietet –, dann ist es eine gewisse Verpflichtung!“, antwortet Jens Geimer auf die Frage, warum sich die von ihm geführte „Westerwald-Brauerei“ neben dem Brauen mit Klimaschutz befasst.
Seit dem 1. Oktober ist die „Hachenburger“, wie viele Wäller das Unternehmen nennen, klimaneutral durch Kompensation. Diesen Zustand will sie spätestens 2030 komplett aus eigener Kraft (also ohne den jetzt noch nötigen Zukauf von Emissionszertifikaten) erreichen. MANN Naturenergie hilft den Bierbrauern bereits beim Klimaschutz. Denn seit Anfang 2020 kommt die gesamte elektrische Energie von dem Langenbacher Versorger, der ausschließlich physikalisch-gekoppelten Ökostrom liefert.
Es sind nicht allein die Erzeugung von für das Bierbrauen benötigter Wärme und Kälte oder die Beleuchtung des Sudhauses, die sich auf den CO2-Fußabdruck der „Westerwald-Brauerei“ auswirken. Will man den seriös betrachten, so gehören viele Dinge mehr wie zum Beispiel Voll- und Leergut-Transporte zwischen Supermärkten, Gaststätten und der Brauerei, die Arbeitswege der Mitarbeiter, die Touren von Vertriebsleuten, aber ebenso der Einkauf von Vorprodukten vom Bierdeckel bis zum Kronkorken samt deren Beförderung in die Gesamtrechnung.
Um diese überhaupt einmal aufzustellen, habe man die „Zukunftswerk eG“ aus Peißenberg zum Partner genommen, erläutert Projektleiter Sven Bernhard: „Wir haben zunächst intern alle Daten ermittelt, aber außerdem alle Vorprodukte einbezogen, die zur Brauerei kommen inklusive Transport, und ebenso den Transport der Biere zum Kunden.“ „Wir haben zudem die Instandhaltung in unserer Klimabilanz oder unsere Investitionen“, ergänzt Jens Geimer, „das ist ebenfalls ein sehr großer Brocken.“
Die Dinge, mit denen man sich vordergründig jedoch viel mehr beschäftige, weil sie häufig im Fokus stehen – wie Fahrten der Mitarbeiter zum Arbeitsplatz, der betriebliche Fuhrpark oder auch Büromaterial – hätten keinen wesentlichen Anteil am CO2-Fußabdruck beziehungsweise einen neben den anderen Bereichen verschwindend geringen. „Dennoch werden wir unseren Fuhrpark in wenigen Wochen auf E-Mobilität umgestellt haben“, betont der Brauerei-Chef. Ab Dezember sollen alle Dienstwagen der Vertriebsmitarbeiter und Führungskräfte mit Ökostrom von MANN rollen. Die Gabelstapler auf dem Brauereigelände tun das bereits jetzt.
Maik Grün ist Wäller und schon lange bei der „Westerwald-Brauerei“ tätig. „Ich wohne hier ‚um die Ecke‘, liebe den Westerwald und sehe, wie der Klimawandel dem Wald in den letzten Jahren wehgetan hat. Und der CO2-Ausstoß ist eben ein Gradmesser, wie klimaschädlich man ist.“ Deswegen sei es für ihn klar gewesen, so der Leiter der Brautechnik weiter, dass er den Umbau der „Hachenburger“ zur Klimaneutralität voll unterstützen wolle. „Und ich bin der Meinung, dass man auch im Einklang mit einer CO2-Reduzierung weiterhin ein sehr, sehr gutes Bier in der richtigen Qualität und Quantität brauen kann. Man muss einfach den Umbau auch im Kopf mitgehen und andere Wege testen.“
Ohnehin sei Energie im Produktionsprozess schon immer ein Thema in der Braubranche gewesen. „Der Antriebsfaktor war vielleicht früher ein etwas anderer, nämlich monetär, aber wir haben uns schon länger in eine energiesparende Richtung bewegt. Wir haben 2017 viel Geld investiert in die komplett neue Kälte- und Dampfkesselanlage.“ Das erst Ende 2020 in Betrieb genommene neue Sudhaus (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete) habe gleichermaßen dazu beigetragen, dass die „Westerwald-Brauerei“ ihren CO2-Fußabdruck in den vergangenen Jahren bereits um 50 Prozent gegenüber dem Höchststand senken konnte.
Dennoch: 4.000 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr sind trotz aller Anstrengungen und der nun erfolgten Maßnahmen wie der Umstellung auf Ökostrom von MANN derzeit noch unvermeidbar für die Bierbrauer. Sie entstehen beispielsweise zu 14 Prozent durch Brennstoffe, 20 Prozent entfallen auf Rohwaren, 41 Prozent auf Anlagegüter, fünf Prozent machen die zugekauften Verpackungen aus.
Künftig will Jens Geimer erreichen, dass sein Unternehmen eine „Positiv-Klimabilanz“ hinbekommt, also beispielsweise über eigene Photovoltaikanlagen mehr Ökostrom selbst erzeugt, als in der Brauerei verbraucht wird, um darüber den Ausgleich für jene CO2-Emission zu schaffen, die, so der Brauereichef, seiner Meinung nach weiterhin etwa beim notwendigen Zukauf von nicht klimaneutralen Produkten anfallen wird.
Neben den „großen“ strategischen Fragen sei Klimaschutz ebenso bei kleinen Dingen zu berücksichtigen. So müsse man die Mitarbeiter in der Produktion durchaus etwas fordern, führt Braumeister Maik Grün augenzwinkernd aus, „nicht so viel Wasser weglaufen zu lassen, das Licht auszumachen, den Motor fünf Minuten früher auszuschalten – das sind ganz kleine Dinge, bei denen man anfangen muss. Früher war es halt so: Der Brauer hat den Wasserschlauch einfach immer laufenlassen – normal, der war halt immer auf. Heute achten wir darauf, beim Sterilisieren zum Beispiel nicht unendlich viel zu sterilisieren – es reicht ja, wenn etwas steril ist! ‚Steril steril‘ gibt es nicht. Da ist noch viel Überzeugungsleistung zu bringen. Früher war ein Spruch des Brauers: ‚Viel hilft viel.‘“, schmunzelt Grün.
In den größten Tank der „Westerwald-Brauerei“ passen 1.100 Hektoliter Bier. Insgesamt, schildert Braumeister Maik Grün, sei die Lagerung von bis zu 19.750 Hektolitern möglich, davon werde in der Spitze jedoch nur ein Volumen von 15.000 Hektolitern ausgenutzt, da zum Beispiel immer ein Tank leer sei für Wartungs- und Reinigungsarbeiten. Doch egal, ob es in den bunt angestrahlten, hohen Behältern gerade ein paar tausend Liter „Hachenburger Pils“, „Westerwald-Bräu“ oder „Zwickel“ mehr oder wenig sind: Gemein ist allen Erzeugnissen der Brauer, dass sie sechs Wochen lang gelagert werden und reifen dürfen (anders als in vielen größeren Brauereien, in denen das Bier nach dem eigentlichen Brauprozess binnen weniger Tage in Fass und Flasche ist und auf den Markt kommt). Während der gesamten sechs Wochen muss das Bier gekühlt werden – und nicht zu wenig: Bei der Herstellung wird das Bier zunächst gekocht und dann auf null Grad heruntergekühlt. „Klar, dass wir dazu vergleichsweise viel Energie aufwenden müssen“, unterstreicht der Braumeister.
Verbesserungen durch neue Technik lohnten sich hier dreifach: „Die Kälteanlage ist ein gutes Beispiel, das ist eine der effizientesten Sachen, die wir gebaut haben“, erklärt Grün. „Man spart Energie, man spart Geld und man hat weniger CO2!“ Derzeit sei die Brauerei bereits in weiteren Planungen. Es soll etwa eine Maschine gekauft werden, um das bekanntermaßen beim Brauen eingesetzte und bei der Gärung entstehende CO2 aufzufangen, zu reinigen und wiederzuverwerten. „Allerdings werden wir für die Maschine wieder zusätzliche Energie benötigen, dafür jedoch weniger CO2 emittieren.“
Es gibt inzwischen durchaus eine Reihe Unternehmen im Westerwald wie außerhalb, die sich „Klimaneutralität“ auf die Fahnen schreiben. Indes findet man darunter nicht wenige, die ihre Klimabilanz nur im sogenannten „Scope 1“ und „Scope 2“ umsetzen. Ersterer erfasst die direkten Emissionen, der zweite jene aus bezogenen Energien. Erst im dritten „Scope“ der Zertifizierung fließen jedoch auch weitere indirekte Emissionen ein – so wie im Fall der „Westerwald-Brauerei“, die sogar ihr gesamtes Anlagevermögen hinsichtlich der CO2-Bilanz mit abbildet. „Die Genossenschaft, mit der wir dabei zusammenarbeiten, hat bis jetzt 350 Klimabilanzen erstellt – davon sind nur fünf so weitreichend wie unsere“, verdeutlicht Jens Geimer.
Nun könnte man bei aller Begeisterung für den Klimaschutz der Hachenburger Biermacher fragen, warum sie bei der momentan praktizierten Kompensation Projekte außerhalb des Westerwaldes fördern. Simone Kerschbaum vom Marketing der „Hachenburger“ kennt die Antwort: Es gebe im Westerwald bislang schlichtweg keine entsprechenden, geeigneten Vorhaben. Jedoch habe das Unternehmen versprochen, dass die selbe Summe, die via Kompensation in Klimaschutzprojekte außerhalb des Westerwaldes geht, künftig direkt in Umweltschutzprojekte in der Heimat fließen soll. Ein erstes Projekt soll demnächst im keine zehn Kilometer von Hachenburg entfernten Heimborn realisiert werden.
Uwe Schmalenbach