Holzmangel? Sägewerke sind das Nadelöhr

Vom Branchendienst bis zum „ZDF heute-journal“: Berichte über ein angebliches oder tatsächliches Knappwerden von Holz in Deutschland, begegnen einem derzeit zahlreich. Aber stimmt es, dass es nicht mehr genug Vorräte im heimischen Wald gibt und er zusehends schrumpft? Oder ist das Problem, wie so oft, komplexer?

Markus Mann auf dem Rundholzplatz seines Sägewerks. Dort sieht der Vorrat noch recht üppig aus.

Die Bauwirtschaft schlägt Alarm, der Dachdeckerverband hat sich an den Bundeswirtschaftsminister gewandt: Holz als Baustoff sei knapp, demnächst nicht mehr zu bekommen, erste Baustellen müssten bereits stillgelegt werden. Tatsächlich sieht jeder, der in Deutschland unterwegs ist, wie (Nadel-) Wälder am Horizont verschwinden und Brachflächen zurückbleiben. Schmilzt der heimische Holzvorrat so stark, wie es scheint und einige Medien warnen? Darüber sprach Uwe Schmalenbach mit Markus Mann, dessen Unternehmen in Langenbach ein stofflich-energetisch optimiertes Sägewerk betreibt und außerdem Holz als Rohstoff für die bekannten „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) benötigt. Lesen Sie hier das komplette Interview.

Ist Holz aus Deutschland bereits so knapp, dass wir uns Sorgen machen müssen?

Wie immer kann man das nicht pauschal sagen. Natürlich gibt es einige, die gemerkt haben, dass man nicht alles in „Amazon-Manier“ von heute auf morgen per Fingerschnippen am nächsten Tag bekommen kann; so auch beim Holz – und darum größere Vorräte anlegen. Das führt zu Verknappungen, hat allerdings noch nichts mit Mangel zu tun. Aber in der Tat: Die ganze Welt ist derzeit am Heimwerken, am Basteln, baut den Dachboden aus und Ähnliches. Die Entwicklung, es sich daheim besonders schön zu machen, ist durch „Corona“ offenbar ein noch stärkerer Trend geworden, und für den benötigt man viel Holz.

„Corona“ ist also auch hier schuld?

Wir hatten in Deutschland in den zurückliegenden zwei Jahren außerdem viel mit sogenannten „Kalamitätsflächen“ in unseren Wäldern zu tun.

Was ist das?

Dahinter steckt das Thema mit der Trockenheit und dem Fichtensterben, dem „Generalangriff“, den der Borkenkäfer auf die deutschen Mittelgebirge gestartet hat. Diese Entwicklung passiert vor allem in der Mitte Deutschlands – am schlimmsten ist es im Westerwald, Sauerland, dem Harz. Nun gibt es eine behördliche Regelung: Wird in Teilen Deutschlands Wald vernichtet, ebenso wie bei Stürmen, dann darf in anderen Teilen des Landes weniger eingeschlagen werden.

Welche Folgen hat das?

Es fällt weniger Frischholz an, das auf dem Markt zu haben ist. Außerdem sinkt durch Trockenheit und Käferbefall die Qualität des eingeschlagenen Holzes: da sind viele „kernrissige“ Stämme dabei. Dieses Holz hat eine bedeutend schlechtere Ausbeute, wenn ich nachher Schnittholz daraus machen möchte.

Das erklärt aber noch nicht, warum einige klagen, es gebe bald kein Holz in Deutschland mehr, weil China alles wegkaufe…

Jeder Jogger oder Spaziergänger bekommt es derzeit mit: im deutschen Wald wird mächtig "Holz gemacht". Oft sind die Flächen geschädigt. Foto: Schmalenbach

Im Jahr braucht die deutsche holzverarbeitende Industrie rund 50 bis 55 Millionen Festmeter. In „normalen Jahren“ wird halt einfach gefällt, geschnitten, das Holz dem Handwerk, den regionalen Verbrauchern, der Industrie zur Verfügung gestellt. Nun sind 2020 jedoch 80,4 Millionen Festmeter Holz angefallen, da es so viel Schadholz gegeben hat. Die Sägewerke können jedoch maximal nur 60 bis 65 Millionen im Jahr verarbeiten. So musste ein Teil – damit der Rohstoff nicht hier ungenutzt verrottet – tatsächlich in den Export gebracht werden.

Also sollte man zwischen Roh- und Schnittholz unterscheiden, und Mangel gibt es nur beim Schnittholz?

Genau. China hat eine Menge Rohholz aufgenommen, das stimmt. Dadurch, dass wir unheimlich viel aus Asien importieren, müssen etliche leere Container dorthin zurück. Das macht den Transport unfassbar günstig: Rundholz aus Duisburg, Hamburg oder Rotterdam nach China zu befördern, ist nicht teurer als der Transport des Rundholzes von Frankfurt nach Freiburg! Unser Problem ist aber, dass der Schnittholzmarkt tatsächlich an sein Limit geraten ist, was die Kapazitäten der Verarbeitung in der Sägeindustrie angeht.

Das Nadelöhr sind somit die Sägewerke und es ist nicht die Lage im deutschen Wald. Wie geht das weiter?

Wenn die Einschlagmenge und die Kapazität der deutschen Sägewerke wieder zusammenpassen, wird das Thema kein so großes mehr sein. Wir haben zum Glück in Zentraleuropa das Prinzip der nachhaltigen Holzwirtschaft, das sicherstellt, dass der Wald nicht ausstirbt. Das wirkt: Laut Bundeswaldinventur steigt die Menge der sogenannten „Vorratsfestmeter“ konstant sogar jährlich um 0,1 Prozent. Im Schnitt wird der deutsche Wald also „dicker“.

Müssen wir nicht fürchten, dass an anderen Orten der Welt, wo diese ökologischen Standards nicht gelten, dafür mehr und umweltschädlicher geerntet wird, wenn unsere Regelungen verhindern, dass bei uns alles gefällt wird, was der Markt fordert?

Das ist ein Problem! Der Verbraucher muss gucken, wo das Holz herkommt, das er verwendet! Wenn Holz genutzt und der Wald im selben Rahmen wieder aufgeforstet wird, ist das nachhaltig. Aber wenn Urwälder gerodet werden und auf diesen Flächen anschließend Soja fürs Schweinefutter in norddeutschen Zucht- betrieben angebaut wird, also Waldflächen für immer verschwinden – das ist alles andere als nachhaltig! Wenn ich regional kaufe, kann ich im Idealfall gucken, wie etwas hergestellt wird und woher der Rohstoff stammt.

Unsere ökologisch sicher sinnvollen Wiederaufforstungen verändern allerdings den Artenmix im heimischen Wald: 60 Prozent der Flächen, auf denen vormals Fichten standen, werden zu Laubwäldern. Wird das die Probleme am Bau verschärfen?

Der Wald erfüllt eine Vielzahl an Funktionen…

Der Mix an Baumarten, der gerade entsteht, wird vor allem eine Herausforderung für die Verarbeitung sein. Wenn sich ständig die Holzarten ändern, benötige ich vielfach einen anderen Werkzeugsatz in der Maschine, das senkt die Effizienz im Sägewerk. Das ist das eine. Andererseits ist ein Dachstuhl aus Eiche ganz schön schwer. (schmunzelt) Nadelholz ist halt leichter. Und man muss das Material ja auch verarbeiten: Schlagen Sie mal einen Nagel in Fichte oder in ein Stück Eiche im Dachstuhl! Hinzu kommt: Wenn auf einem Hektar Wald statt zehn Festmeter Nadelholz nur drei bis vier Festmeter Buche wachsen, entsteht irgendwann ein Mangel. Fichte, Kiefer, Douglasie, Küstentanne, Lärche sind da effizienter. Es wird also eine Herausforderung bleiben, wie acht Milliarden Menschen mit dem nachwachsenden Rohstoff Holz versorgt werden können.

Damit sind wir beim Stichwort „Versorgungssicherheit“: Sitzt der Kunde der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) bald im Kalten, weil kein Material für seinen Brennstoff mehr da ist?

Es ist eher andersherum: Dadurch, dass viel aufgeforstet wird mit verschiedenen Holzarten, werden Wälder entstehen, die in den nächsten 20, 30 Jahren immer wieder durchforstet werden müssen. Die „krummen Dinger“ wird man dabei herausnehmen, weil man für die stoffliche Nutzung – Bauholz, Möbel, Verpackung – gerade Stämme benötigt, damit sie sich ordentlich sägen lassen. Also werden die „krummen Dinger“ typisches Energieholz sein. Pellets kann ich definitiv aus fast allen Holzarten machen; lediglich die Pappel bereitet durch die Schlackebildung bei der Verbrennung Probleme. Ansonsten können wir aus allen Holzarten Pellets herstellen. Dazu muss nur das Werkzeug – das Loch in der Matrize, durch die die Späne gepresst werden – zur Holzart passen.

Der Pelletnutzer muss sich demnach keine Sorgen um den Rohstoff machen, der Sägewerksbesitzer schon? Und wie ist es mit Preissteigerungen bei den Pellets, die aus Holz gefertigt werden? Eigentlich gilt doch, dass jede Nachfragesteigerung den Preis erhöht. Und Holz wird weiter stark nachgefragt werden, ebenso wächst der Energiehunger.

Natürlich hängen die Energiearten am Ende zusammen. Aber in den letzten 20 Jahren haben wir bei den Pellets nie das Auf und Ab wie etwa bei Öl erlebt: Da waren wahnsinnige Preissprünge zu beobachten. Mal kostete der Liter 40 Cent, plötzlich 1,10 Euro, zur Zeit kostet er um 70 Cent. Dieses Hin und Her kennen wir bei Pellets gar nicht! Seit zwei Jahrzehnten haben wir lediglich eine ganz allmählich steigende Tendenz gehabt, aber immer noch geringer als die Inflationsrate. 210, 220 Euro je Tonne kosten WWP jetzt – das ist fast der identische Preis, zu dem wir 2003/2004 WWP an private Endkunden geliefert haben!

"Ich kann den Bedarf verschieben"

Das Wort „Dunkelflaute“ vermeidet Klaus Kuhnke am liebsten. „Ich halte es für einen ,Kampfbegriff‘ der Gegner der Energiewende“, begründet der Professor im Ruhestand. Mit dem Ausdruck soll darauf hingewiesen werden, dass regenerative Energieträger nicht ausreichen würden, wenn die Sonne nicht scheint und es gleichzeitig windstill ist, etwa im Winter. Skeptiker der Energiewende führten diesen Zustand gerne an, um „die ganze Energiewende in Misskredit zu bringen“, gibt Kuhnke, ehemaliger Lehrender für Erneuerbare Energien und Physik an der Hochschule Osnabrück, zu bedenken. „Denn dann kann man wind- und strahlungsarme Zeiten als ein Argument gegen die Vollversorgung aus Erneuerbaren Energien benutzen. Was ich dagegen halte: Diese Zeiten sind kurz, und man kann sie überbrücken!“

Manche Menschen fürchten sich vor einer geringeren Leistung etwas Photovoltaik oder Sonnenkollektoren im Winter. Foto: Gerhardt-Pixelio

Es ist ein „Schreckgespenst“ vieler Kritiker der Energiewende: Sind „Erneuerbare“ in der Lage, uns ganzjährig mit Energie zu versorgen, wenn die Sonne weniger scheint und es gleichsam windstill ist? Wenn also eine sogenannte „Dunkelflaute“ eingetreten ist? Immerhin, betont auch Klaus Kuhnke, spielen Solar- und Windkraft die entscheidendste Rolle beim Umstieg von „fossil“ zu „regenerativ“: „Sie sind die ,Arbeitspferde‘ unserer Energiewende.“ Und diese könnten uns seiner Ansicht nach vollständig versorgen.

Generell gelinge dies deswegen, weil Sonne und Wind sich über das Jahr sehr gut ergänzten: „Im Winter haben wir mehr Wind und weniger Sonne. Und im Sommer haben wir ganz klar mehr Sonne und weniger Wind“, führt Kuhnke aus. Wetterstationen bestätigten dies. Der Zeitraum von „Dunkelflauten“ beschränke sich allenfalls auf ein paar Tage bis wenige Wochen. „Das sind Wetterperioden, in denen diese Ergänzung von Sonne und Wind nicht gut klappt. Also reden wir über kurze Zeiträume“, erläutert der Diplom-Physiker.

Diese zu überbrücken, sei jedoch gar keine große Herausforderung. Man müsse sich Energie aus Erneuerbaren „zur Seite legen“. Es gebe Speichermöglichkeiten, durch welche dies funktioniert. Da wären etwa technische Optionen – Batterien zum Beispiel. Diese Speichermethode sei jedoch derzeit eher in einem geringfügigen Maßstab praktikabel. „Das gelingt nur in kleinen Mengen, nicht für eine ganze Volkswirtschaft über eine Woche oder zwei“, schränkt Klaus Kuhnke ein. Wenngleich die Forschung aber schon sehr weit sei mit der Entwicklung neuer Technologien, wie etwa die „Redox-Flow-Batterie“ eine ist. Diese „Nasszelle“ speichert in Tanks elektrische Energie in chemischen Verbindungen. „Diese Batterien könnten in der Zukunft noch sehr interessant sein“, hebt Kuhnke hervor.

Doch wie kommen wir durch die dunklen Wochen? Speichern bedeute letztlich, Angebot und Nachfrage zeitlich gegeneinander zu verschieben, wirft der Spezialist für Energietechnik ein. „Da gibt es also zudem die Möglichkeit, an der Nachfrage zu ,drehen‘. Das nennt man ,Demand-Side-Management‘.“ Unter diesem „Lastmanagement“ versteht man die Steuerung der Stromnachfrage durch Ab- und Zuschalten, wodurch ein Ausgleich geschaffen werden kann. „Im ,Kleinen‘ würde das so gehen, dass ich meine Wasch- oder Geschirrspülmaschine – also richtig große Wärme- und Stromverbraucher – einschalte, wenn die Sonne scheint“, verdeutlicht Kuhnke, „und ich kann den Bedarf verschieben: Ich kann meine Geschirrspülmaschine eben auch uneingeschaltet lassen und die schmutzigen Socken noch einen Tag ungewaschen lassen.“ Der Stromverbrauch wird somit zeitlich verschoben.

Klaus Kuhnke sieht kein echtes Problem.

Klaus Kuhnke sieht kein echtes Problem.

„Diese Bedarfsverschiebung ist ebenso im großen Maßstab denkbar. Man kann auf der Verbraucherseite gerade bei der stromintensiven Industrie schon eine Menge drehen, und das kostet weit weniger als entsprechende Speicher zu bauen“, unterstreicht der Experte. „Man kann zu jeder nennenswert stromverbrauchenden Industrie sagen: ,Was kostet es euch, einen Tag oder eine Woche abzuschalten?‘“ Es gehe bei der „Dunkelflaute“ schließlich nur um einen kurzen Zeitraum. „Und da kämen wir dann auf diese Weise schon ganz gut durch. Der Verbrauch lässt sich immer ein bisschen steuern. Alle Industriebetriebe könnten das im großen Maßstab“, ist Kuhnke überzeugt.

Biomasseheizkraftwerke – wie auch MANN eines einsetzt – seien ebenfalls ein sinnvolles Instrument, um Energie zu speichern. Denn sie erzeugen durch das Verfeuern von fester Biomasse – wie etwa Holz – elektrische Energie. Auch Biogasanlagen könne man flexibel betreiben. „Diese Technik ist bekannt und wird heute schon eingesetzt. Das kann man weiter vorantreiben“, ergänzt der Professor im Ruhestand.

Eine häufig diskutierte Strategie ist zudem die „Vehicle-to-grid“-Technologie, bei welcher der Elektrowagen als zeitweiliger Speicher dient: E-Autos, die „bidirektional“ ladefähig sind, können die in der Fahrzeugbatterie gespeicherte Energie bei hohem Bedarf zurück ins Netz speisen. So kann ein Stromengpass ausgeglichen werden. Dieser Weg sei zwar fortschrittlich, jedoch nicht „für den großen Maßstab“ geeignet, findet Klaus Kuhnke. „Das ist absolut sinnvoll, aber damit kommen wir nicht durch die wind- und strahlungsarmen Tage.“

Erstaunlich findet er, dass viele Menschen scheinbar eine perfekte Lösung darin sehen, mit Öko-Strom Wasserstoff zu erzeugen, also einen synthetischen „grünen“ Energieträger. „Aber man darf nicht vergessen: Wasserstoff muss man erst einmal ,machen‘. Und dabei geht leider sehr viel Energie verloren“, entgegnet der Physiker. Und zwar über die ganze Energiekette: Wird Wasserstoff erzeugt, führt dies zu Energieverlust. Ebenso, wenn aus dem Wasserstoff noch Methan hergestellt wird, welches chemisch mit Erdgas identisch ist. Wird der Energiespeicher in einem Gaskraftwerk verheizt, um wiederum Strom zu erzeugen, verliere man abermals Energie. „Diese Wirkungsgradketten, diese riesigen Verluste und ,Mini-Energiemengen‘, die man da am Ende herauskriegt, die macht man sich in der öffentlichen Diskussion selten klar“, hat Klaus Kuhnke festgestellt.

Unser Energiehunger wächst durch immer mehr Technik auch im privaten, gerade Haushaltgeräte sind große Verbraucher. Diese können jedoch zu vergleichsweise günstigeren Zeiten laufen, wenn genügend Ökostrom vorhanden ist. Foto: pixabay

Unser Energiehunger wächst durch immer mehr Technik auch im privaten, gerade Haushaltgeräte sind große Verbraucher. Diese können jedoch zu vergleichsweise günstigeren Zeiten laufen, wenn genügend Ökostrom vorhanden ist. Foto: pixabay

Generell sei es aber notwendig und sinnvoll, über viele verschiedene Ansätze nachzudenken – und dabei auch unkonventionellere Strategien nicht auszuschließen. Was spräche etwa dagegen, wirft Kuhnke ein, Trecker und Nutzfahrzeuge mit großen Generatoren auszustatten? „So könnten doch Landwirte, wenn wir Wind und Sonne zu wenig haben, diese Trecker ,anschmeißen‘ – an jedem ein Generator von, sagen wir, 50 Kilowatt –, und dieser Strom wird dann ins Netz eingespeist. Und die Landwirte werden dafür natürlich belohnt. Der Trecker steht im Winter doch sowieso nur rum“, stellt Kuhnke eine Idee vor. „Auch solche Möglichkeiten gibt es, und die können uns sehr weit bringen.“

Tatsächlich bestehe also keinerlei Anlass zur Beunruhigung, resümiert der ehemalige Professor der Hochschule Osnabrück. „Die Forschung geht weiter, da gibt es Grund zur frohen Erwartung.“ Und die sogenannte „Dunkelflaute“ könnten wir sogar heute schon überbrücken.

Andra de Wit

Markiert, optimiert – und nachhaltiger genutzt

Der orange Roboter greift sich zwölf nebeneinander liegende Bretter, die „zusammenzukleben“ scheinen, während die Maschine sie hochhebt, sich um 180 Grad dreht und sie auf einem Stapel mit mehreren weiteren Lagen davon ablegt. Kurz zuvor waren die flachen Holzstücke noch Teil sehr viel längerer Bretter. Die entstehen im SEO-Sägewerk von MANN (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete) und werden zum Beispiel für hochwertige Verpackungen aus dem nachwachsenden Rohstoff verwendet. Jedoch: Die längeren Latten sind nicht fehlerfrei gewesen und darum durch eine neue „Optimierungs-Kappsäge“ gelaufen, in deren Umfeld der Roboter sich dreht und stapelt.

Die von der Kappsäge optimierten Bretter stapelt der Roboter, nach Längen sortiert, zu Paketen.

„Die Anlage haben wir im April in Betrieb genommen, sie ist eigentlich noch in der Anlaufphase – aber funktioniert schon richtig gut“, schildert Thomas Zinke zufrieden. Er ist Betriebsleiter beim Familienunternehmen in Langenbach bei Kirburg und erklärt, was besagte „Fehler“ sein könnten: „Manches Mal hat der Baumstamm, aus dem wir die Bretter schneiden, beispielsweise am Anfang oder Ende einige kleine Risse. Die sind dann auch im Brett zu finden, es kann nicht wie geplant verkauft und verwendet werden.“

Ungenutzt weggeworfen worden seien solche Latten gleichwohl schon vor Inbetriebnahme der neuen Kappsäge nicht, betont Zinke: Stattdessen wurden sie in einem Zerhacker erheblich kleiner gemacht und als Material für die benachbarte Pelletproduktion der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) genutzt, so dass der wertvolle Rohstoff Holz selbstverständlich trotzdem einer sinnvollen und ökologisch nachhaltigen Nutzung zugeführt wurde.

Sehen Sie im Video der Wäller Energiezeitung, wie die Anlage arbeitet.

Sehen Sie im Video der Wäller Energiezeitung, wie die Anlage arbeitet.

Die neue Anlage ermöglicht es nach des Betriebsleiters Ausführungen jedoch, mehr aus einem fehlerhaften Brett herauszuholen. Dazu fährt jedes einzelne auf dem Weg in die Kappsäge auf einem Band unter einem Scanner hindurch. Der sieht sich das Holz genau an, identifiziert unbrauchbare Stellen und rechnet in Echtzeit aus, welche Abschnitte noch geeignet sind, um aus der langen Latte, wie sie aus der SEO-Säge kam, eine oder sogar mehrere kürzere zu schneiden – die dann, nach Längen auf unterschiedlichen Stapeln sortiert, beim Roboter ankommen.

Manuel Giertler betrachtet und markiert die Bretter, die sein Kollege ausgeschleust hat.

Manuel Giertler betrachtet und markiert die Bretter, die sein Kollege ausgeschleust hat.

Manuel Giertler hilft der Kappsäge, ihre Arbeit optimal zu erledigen: Mit einem unglaublich guten Auge schaut er sich flink jedes einzelne bei seinem Kollegen Chris Quiter an der SEO-Säge ausgeschleuste Brett allseitig an und markiert mit fluoreszierenden Strichen jene Teile, die die Kappsäge auf jeden Fall aussparen muss. Die Abschnitte zwischen den orangen Kennzeichnungen gehen daraufhin in die Berechnung der Säge ein und werden zu einwandfreien (wenngleich kürzeren) Abschnitten. Nur noch die erheblich kleineren Reststücke mit den eigentlichen Fehlerstellen wandern gleichermaßen in den Zerhacker und gehen in die WWP-Produktion.

„Wir können also aus dem eigentlich schon aussortierten, ursprünglichen Brett noch etwas machen“, freut sich Thomas Zinke. Das sei sinnvoll, wenn man den gesamten Nutzungszyklus des eingesetzten Rundholzes betrachte: Anstatt ein schadhaftes Brett sofort in Langenbach zu Pellets zu verarbeiten, die verfeuert – also energetisch genutzt – werden, könne man durch die Optimierungs-Kappsäge den größten Teil dieses Stücks Holz als verkürztes Brett zunächst noch „stofflich“ verwenden, um beispielsweise Paletten daraus herzustellen, die in einer immer globaleren Wirtschaftskette erheblich nachgefragt werden. Als Palette „lebt“ das Holz anschließend erst einige weitere Jahre, wird unterdessen genutzt – ehe es deutlich später, wenn die Palette unbrauchbar geworden ist, energetisch eingesetzt wird.

Betriebsleiter Thomas Zinke mustert Bretter, die ein neuer Roboter gestapelt hat. Diese wurden von der ebenfalls soeben in Betrieb genommenen „Optimierungs-Kappsäge“ zugeschnitten. Dahinter steckt eine weitere Idee der Firmengruppe MANN für mehr Nachhaltigkeit.

Betriebsleiter Thomas Zinke mustert Bretter, die ein neuer Roboter gestapelt hat. Diese wurden von der ebenfalls soeben in Betrieb genommenen „Optimierungs-Kappsäge“ zugeschnitten. Dahinter steckt eine weitere Idee der Firmengruppe MANN für mehr Nachhaltigkeit.

„Die Holznutzung wird durch einen solchen längeren Lebenszyklus nachhaltiger“, fasst Zinke zusammen. Dazu trage ebenso bei, dass aufgrund der nachgeschalteten Kappsäge bei der Bearbeitung von Rundholz mit großem Durchmesser aus vielen Stämmen ein zusätzliches, zweites Seitenbrett im SEO-Sägewerk aus dem Baum geschnitten werden kann. „Früher ging dieser Teil komplett in den Hacker“, erläutert Zinke.

Nur kleine Reststücke gehen noch in den Zerhacker.

Nur kleine Reststücke gehen noch in den Zerhacker.

Holz wird, das erwarten viele Fachleute, ein immer knapperes Gut werden, insbesondere aus heimischer, nachhaltiger Bewirtschaftung. Man braucht sich derzeit nur die vielen Flächen anzusehen, die wegen des Kupferstechers und des Buchdruckers, der Borkenkäfer wegen also, gerodet werden, um wenigstens das noch nutzbare Holz zu ernten, bevor die Trockenheit und in der Folge die kleinen Tiere noch mehr Schaden anrichten können. Bis alles wieder aufgeforstet und ausreichend groß gewachsen ist, ehe man die Bäume also abermals fällen und verwenden kann, vergehen erst einige Jahrzehnte. Umso mehr gehört es wohl zu einem verantwortungsvollen Umgang mit dem Rohstoff, sich sehr gut zu überlegen, was man mit dem vorhandenen Stämmen tut, wie man sie optimal gebraucht.

Autor: Uwe Schmalenbach

Mit WWP klappt es auf der Freusburg super

Vom Mühlenbach aus, der von der Sieg zum Antrieb der Freusburger Mühle abgezweigt wurde, erahnt man die Ausmaße der Burg kaum.

Kurz bevor die Sieg die Stadt Kirchen erreicht, ändert sie in deren Ortsteil Freusburg die Richtung um 180 Grad und strömt zur Freusburger Mühle. Über der Flussbiegung erhebt sich seit Jahrhunderten, vermutlich spätestens seit dem elften, die Freusburg. Sie gab der heutigen Ortschaft auch ihren Namen. Einst residierte im dicken Gemäuer Graf Eberhard von Froitzberg – jetzt finden hier Schulklassen, Familien, Vereine ein Quartier. Zumindest außerhalb von „Corona“, denn die Burg wird, mit Unterbrechungen, seit 1928 als Jugendherberge genutzt.

„Unser Neubau entstand zwischen 1981 und 1986. In der Zeit war hier geschlossen“, erläutert Hans-Jürgen Hof. Er ist Leiter der Freusburg, gegen den etwas altertümlichen Begriff „Herbergsvater“ hat er gleichwohl nichts, wie er sagt: „Wir arbeiten mit jungen Menschen. Da muss man zuweilen durchaus väterliche Hilfestellung geben.“ In der fünfjährigen Pause jedenfalls, so Hof weiter, wurde die Burg umfassend modernisiert und erhielt vor allem einen Anbau.

200 Betten stehen seither zur Verfügung, und wenn nicht gerade eine Pandemie das Leben lahmlegt, werden die gerne genutzt: Schulklassen machen immer noch einen großen Anteil der Besucher einer Jugendherberge aus. Doch längst sind Familien oder Musikergruppen ebenso häufig zu Gast. Selbst „eine Truppe aus Schottland“, erzählt der Herbergsvater, komme regelmäßig, um auf der Freusburg Dudelsack zu spielen.

Im Gebäude entdeckt man Stellen, wo der Alt- und Neubau aufeinandertreffen

„Die Zeiten von Hagebuttentee und Kartoffelpüree, das man ‚an die Wand nageln kann‘, sind lange vorbei in deutschen Jugendherbergen“, schmunzelt Hans-Jürgen Hof. Nicht nur beim Essen herrschten andere Zeiten, die die Jugendherbergen für immer mehr Menschen (selbst Geschäftsreisende) als günstigere Alternative zum Hotel erscheinen lassen. „Mittlerweile haben wir den Komfort eines Hotels“, betont Hof. Von den gut 70 Zimmern haben über 60 eine eigene Dusche und ein eigenes WC. Überwiegend sind die Räume als Vier-Bett-Zimmer angelegt, ebenso gibt es Einzel- und Zweibettzimmer. Lediglich im Altbau, also innerhalb der ursprünglichen Burgmauern, findet sich noch ein Neun-Bettzimmer, das nach der Schilderung des Leiters jedoch gerade bei Kindergartengruppen sehr beliebt sei.

Schon ab 28,10 Euro kann man sein Haupt hoch oben über der Sieg betten, dazu erhält man noch ein Frühstück. Das Angebot „zieht“. 26.000 bis 28.000 Übernachtungen sei in den letzten Jahren die beachtliche Größenordnung auf der Freusburg gewesen, die damit zweifelsohne einer der größten touristischen Anbieter im ganzen Westerwald sein dürfte. Für 2020 habe es sogar schon Festbuchungen gegeben, mit denen der Wert die 30.000er-Schwelle überschritten hätte – doch dann kam „Corona“ und machte alle Pläne der Gäste zunichte, bedauert Hof.

„Hexen – Geister – Burggespenster“ ist ebenso ein eigens auf Familienurlaub zugeschnittenes Angebot der Burg wie das adventliche Wochenende „Apfel, Zimt und Mandelkern“ oder die „ritterlichen Osterfest-Spiele“. Neben solchen „Specials“, ist der Herbergsleiter überzeugt, sei es natürlich einerseits der Charme, auf einer Burg zu übernachten, der die Gäste anzieht: „Es gibt nichts Schöneres, als mit Kindern zu arbeiten. Die haben sofort große Augen hier oben: ‚Eine Burg!‘ Wo die Kanonen sind, wollen sie dann wissen.“

Herbergsvater Hans-Jürgen Hof im “Rittersaal”. Vor seiner heutigen Wirkungsstätte im DJH war Hof in Finnentrop, Hilchenbach und Schmallenberg tätig.

Herbergsvater Hans-Jürgen Hof im “Rittersaal”. Vor seiner heutigen Wirkungsstätte im DJH war Hof in Finnentrop, Hilchenbach und Schmallenberg tätig.

Auf der anderen Seite seien etliche weitere Einrichtungen und Möglichkeiten wie die insgesamt zehn Tagungsräume ein zusätzlicher Grund für den Zuspruch: „Wir können jeder Schulklasse oder jeder einzelnen Familiengruppe einen eigenen Raum zuweisen“, erklärt Hof. Musiker etwa genießen es nach seinen Worten, im „Musiksaal“ proben und die Instrumente sicher unterbringen zu können und zugleich einen zweiten separaten Raum zur Verfügung zu haben, um innerhalb der Gruppe zu essen. Selbst Hochzeits- oder andere Familienfeiern sind, beispielsweise im „Rittersaal“ der Burg, mittlerweile „normal“. „Die Gäste übernachten anschließend gemeinsam bei uns und frühstücken am nächsten Morgen noch zusammen – das ist ein toller Abschluss“, beschreibt der Herbergsleiter.

Das Gelände um das Burg-Ensemble aus Alt- und Neubau ist weitläufig, ein herbergseigener Multifunktionssportplatz schließt sich an, eine Spielanlage der Stadt ebenso. 17 Mitarbeiter (sechs davon in Vollzeit) kümmern sich um das Wohl der Gäste.

In 4 solcher Pelletsilos wird der umweltfreundliche Brennstoff im Keller der Freusburg gelagert und über Schläuche in den Brenner gesaugt.

In 4 solcher Pelletsilos wird der umweltfreundliche Brennstoff im Keller der Freusburg gelagert und über Schläuche in den Brenner gesaugt.

Viel Platz zur Entfaltung. Jedoch: So ein Komplex will beheizt werden! Keine ganz leichte Aufgabe, „zumal damals im Mittelalter, und ebenso in den 1980er-Jahren bei der Erweiterung, noch niemand an Wärmedämmung gedacht hat“, schildert Hans-Jürgen Hof. Sage und schreibe 60.000 Liter Öl wurden früher jährlich auf der Freusburg verfeuert, um es den Gästen behaglich zu machen! Als die alte Heizungsanlage erneuert werden musste, stieg man darum auf die umweltfreundlichere Wärmequelle Holzpellets um: Etwa 120 Tonnen „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) als Alternative aus nachwachsendem Rohstoff vermeiden so die Entstehung von 178 Tonnen klimaschädlichem CO2, die die Ölheizung einst binnen eines Jahres „rauspustete“!

Ursprünglich hatte die Freusburg einen anderen Pelletlieferanten, als den aktuellen. Doch mit dem habe es nicht gut funktioniert, berichtet der Herbergsvater: Die Pellets seien von schlechter Qualität gewesen, so dass die Heizungsanlage, eine „ETA ePE-K“, häufige Störungen gehabt habe und stehengeblieben sei. Das Absaugen von bei Holzpellets ganz natürlichem Abrieb bei jeder neuen Lieferung sei zudem nicht ordentlich erledigt worden, was die Betriebssicherheit gleichermaßen reduzierte – anders als heute, wenn ein Silowagen der WWP sich den langen, engen Weg auf den Burgberg hochquält. „Unser Haustechniker wusste von den WWP. Deswegen haben wir uns da gemeldet, seither klappt alles super“, ist der Leiter zufrieden, der möchte, dass seine Gäste nach einem ausgefüllten Tag im Warmen entspannen und sich erholen können, wie er hervorhebt.

Wie viele Menschen dieses Tor wohl schon durchschritten haben, um in der Burg zu nächtigen?

Seit 17 Jahren ist Hans-Jürgen Hof im Deutschen Jugendherbergswerk (DJH) tätig, davor war er als Diplom-Verwaltungswirt im öffentlichen Dienst beschäftigt. Eine mächtige Linde, die am Eingang zur Jugendherberge in den Himmel über dem Siegtal ragt, steht unter Denkmalschutz, ist Jahrhunderte alt. Wie viele Menschen auf der Freusburg wohl schon in all der Zeit übernachtet haben mögen, seit die ersten Mauern errichtet worden sind? Niemand weiß das. Aber dass die wegen „Corona“ abgesagten Buchungen für die besondere Herberge nicht für immer da verloren sind, dessen ist sich der Herbergsvater sicher: „Wenn wir sagen, Montag machen wir wieder auf, dann sind wir Montag ausgebucht!“

Autor: Uwe Schmalenbach

Ein Dankeschön aus der Caritas-Werkstatt

André Altbürger baut einen der Lärchenholz-Nistkästen für die WWP zusammen. Foto: Schmalenbach

Es piept kurz, dann beginnt ein violett-weißlicher Lichtpunkt über das Lärchenholz zu zucken. Gerade so wahrnehmbare Rauchwölkchen steigen auf – darunter werden erste Konturen des „Westerwälder-Holzpellets“-Logos erkennbar. Der Vorgang erinnert an das Brandmalen, das vermutlich schon im alten Ägypten für Verzierungen genutzt wurde. Doch statt eines Brandmalkolbens, wie ihn viele Hobbybrandmaler heute einsetzen, überträgt ein kleiner Laser das Signet auf das darunter befindliche Brett. Dieses ist Teil eines Nistkastens – und er das Resultat einer besonders wertvollen Kooperation.

„Wrritt, wrrriiittt“, surrt der Akkuschrauber. Noch zwei letzte Schrauben eindrehen – wieder hat André Altbürger ein Vogelhaus fertig und legt es auf eine Palette zu weiteren Exemplaren. „Das ist eine Auftragsarbeit für die Firma MANN“, erläutert Günter Keßler. Er ist Betriebsleiter am Rotenhainer Standort der „Caritas-Werkstätten Westerwald-Rhein-Lahn“, wo die Vogelhäuschen auf Bitten der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) gefertigt werden. Sie seien für Meisen gedacht; das Loch, das hineinführt, habe daher eine bestimmte Größe, so dass keine Raubvögel hindurchpassen. „Normalerweise bauen wir solche Nistkästen aus Tanne oder Fichte, doch Herr Mann wünschte sich Lärche, damit es wertiger und haltbarer wird“, zwinkert Keßler.

Er selbst ist seit 19 Jahren in Rotenhain tätig, der Betrieb dort besteht seit 26 Jahren. Werkstätten des Caritasverbandes im Westerwald und im Rhein-Lahn-Kreis existieren (neben weiteren Angeboten wie beispielsweise der Tagesförderstätte in Wirges oder dem „CAP-Lebensmittelmarkt“ in Hundsangen) außerdem in Montabaur, Niederelbert, Nauort, St. Goarshausen und Lahnstein. Insgesamt, so Günter Keßler, kommen etwa 650 Menschen in diese Einrichtungen.

Garten- und Landschaftsbau, Hausmeisterei, Wäscherei, Lager und Logistik, Holzbearbeitung, Lettershop, Palettenbau oder Verpackung und Konfektionierung: in diesen und vielen weiteren Bereichen sind Menschen in den Caritas-Werkstätten aktiv. Grundlage sind entsprechende gesetzliche Vorschriften. Die verlangen, dass Menschen mit (körperlichen, geistigen oder seelischen) Einschränkungen, die dem sogenannten „ersten Arbeitsmarkt“ nicht oder noch nicht zur Verfügung stehen können, in den Einrichtungen eine Qualifikation für den ersten Arbeitsmarkt erhalten. Dabei müssen die Beschäftigten ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeit leisten und erhalten im Gegenzug einen Werkstattlohn, wie der Betriebsleiter ausführt.

Die so sichergestellte Teilhabe am Arbeitsleben wie die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung entspreche dem gesetzlichen Auftrag. Der regelt ebenso räumliche Verhältnisse: Die Anfahrt zur Werkstatt darf nicht länger als eine Stunde ausfallen. Der Rotenhainer Betrieb ist demnach zuständig für die Verbandsgemeinden Hachenburg, Bad Marienberg, Rennerod, teilweise Westerburg. „Und eine Beschäftigte kommt aus der VG Selters“, ergänzt Günter Keßler.

Apropos Arbeitsweg: Ein Fahrdienst bringt die Menschen täglich nach Rotenhain und zurück, denn von den zur Zeit 137 dort Beschäftigten wohnen etwa Dreiviertel bei ihren Familien oder bei Angehörigen; alle anderen in Wohngruppen in der Region.

Eine weitere Arbeitsform betrifft dauerhaft circa 30 bis 40 Menschen, die von den Caritas-Werkstätten Rotenhain kommen: Sie sind mit dem Status „Werkstattbeschäftigte“ auf „Außenarbeitsplätzen“, also direkt bei Unternehmen der Region tätig, werden allerdings weiterhin von Caritas-Mitarbeitern betreut. Bei dieser Konstruktion komme es, daran lässt Günter Keßler keinen Zweifel, sehr wesentlich auf das Wohlwollen der Verantwortlichen an.

Werkstätten wie jene in Rotenhain haben ergänzend „arbeitsbegleitende Maßnahmen“ wie zum Beispiel ein Sportangebot anzubieten. Dafür gibt es dort eigens eine Sporthalle – die wegen „Corona“ derzeit jedoch als zusätzliches „Speisezimmer“ genutzt werden muss. „In unserem eigentlichen Speisesaal essen sonst 80 bis 100 Personen“, beschreibt Günter Keßler, „durch die räumliche Entzerrung sind es nunmehr vielleicht 18 bis 20 mit entsprechend großen Abständen zueinander.“

Auch Industriemontagen, wie hier bei Bestandteilen für Elektroschränke, erledigen die Werkstätten, wie Betriebsleiter Günter Keßler schildert.

Die gemeinnützigen Einrichtungen sind – bei allem sozialen Engagement – zugleich verpflichtet, eine Wertschöpfung zu erzielen. Davon werden schließlich die Werkstattlöhne bezahlt. „Wir versuchen daher schon, mit den Unternehmen der Region in irgend einer Form zusammenzuarbeiten und unsere Dienstleistung anzubieten“, betont Keßler, „wir wollen gleichwohl niemandem auf dem ersten Arbeitsmarkt die Arbeit wegnehmen!“ Es gehe um Nischen, in denen vielleicht nicht unbedingt ein Facharbeiter benötigt werde. „Oder was passt in der betreffenden Firma nicht in dortige Abläufe, das wir hier jedoch gut darstellen können“, fügt der Betriebsleiter an. Diese Erfordernisse des Marktes müssen Keßler und seine Kollegen dann mit einem „Bedarfsplan“ in Einklang bringen, den es für jeden Beschäftigten bei der Caritas gebe: „Was hat er für Fähigkeiten? Was möchte er selbst machen? Wohin soll er sich entwickeln?“

Eines wird also sehr deutlich: Das gesamte System und die ehrbare Absicht der Teilhabe am Arbeitsleben lassen sich nur umsetzen, wenn über alle gesetzlichen Regularien hinaus Unternehmen bereit sind, den Werkstätten Aufträge zukommenzulassen.

So wie die WWP mit dem Bau der Nistkästen: Die werden als Dankeschön des Westerwälder Energielieferanten bei einer Lieferung im März an seine Pelletkunden verschenkt. „Wir wollen nicht irgendwelche Werbegeschenke verteilen, die dann in der Mülltonne landen, sondern mit denen man etwas anfangen kann und die einen nachhaltigen, ökologischen Zweck haben, also zu unseren regenerativen Energieträgern passen“, kommentiert WWP-Chef Markus Mann. „Wer keinen eigenen Garten besitzt, findet sicher einen Baum in der Nähe für den Kasten“, lächelt er und streicht zufrieden über das fertig gelaserte Logo auf einem in Rotenhain montierten Vogelhaus.

Autor: Uwe Schmalenbach

Bereits 1975 wurden in Niederelbert die “Caritas-Werkstätten-Westerwald-Rhein-Lahn” gegründet. Aus diesen Einzelteilen entsteht an deren Standort Rotenhain das WWP-Vogelhaus.

Große Hilfe bei kleiner Menge

Plötzlich ging bei den „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) eine Bestellung ein, wie sie nicht jeden Tag an deren Firmensitz in Langenbach bei Kirburg ankommt. Es drehte sich dabei nicht etwa um eine Tonne des CO2-armen Brennstoffs in handliche 15-Kilo-Säcke verpackt oder um drei Tonnen, die per Silowagen geliefert werden und einen über den Westerwälder Winter geleerten Bunker wieder auffüllen sollten. Nein, gefragt wurde nach nur ein Kilogramm Pellets enthaltenden Tüten. Davon jedoch sollten es 12.000 Stück sein!

Yesim Dasbasi füllt “Westerwälder Holzpellets” durch einen Trichter in den Beutel. Foto: Schmalenbach

Yesim Dasbasi „schöpft“ mit einem aus einem PVC-Rohr angefertigten Messbecher lose Holzpellets aus einer Kiste und schüttet sie in einen Trichter. An dessen Ende hat sie zuvor einen leeren Papierbeutel eingespannt, in den das Brennmaterial sodann rieselt. Dasbasi nimmt den Beutel ab, legt oben auf die Pellets darin noch zwei Anzünder aus Holzspänen und verschließt das Ganze – fertig ist einer der bestellten 12.000 Beutel.

Yesim Dasbasi ist eine der zur Zeit 137 Beschäftigten der „Caritas-Werkstätten Westerwald-Rhein-Lahn“ an deren Standort in Rotenhain (siehe Seite 2). Durch den Auftrag der WWP hat die junge Frau dort eine sinnvolle Arbeit, erhält dafür selbstverständlich eine Entlohnung, und für die „Westerwälder Holzpellets“ ist ihre Zuarbeit eine wichtige Unterstützung. Denn im Pelletwerk in Langenbach wäre es schwierig, eine so besondere Verpackungsform ohne Weiteres in die Abläufe zu integrieren, die eher dafür ausgelegt sind, dass LKW aus großen Silos befüllt werden, aber nicht für derartig kleinteilige Aufgaben.

Anders in Rotenhain: Dort ist alles darauf ausgerichtet, ebenso ungewöhnliche Chargen und Produkte fertigzustellen. Im Fall des Auftrags, dessen sich Yesim Dasbasi gerade annimmt, wurden dazu in der Werkstatt kurzerhand der passende Messbecher und eine kippbare Vorrichtung mit dem Trichter individuell gebaut, die der jungen Frau ein ergonomisches Arbeiten ermöglicht.

Die besondere Bestellung, die bei den WWP einging und nun von Dasbasi „eingetütet“ wird, ist für den Vertreiber der amerikanischen Marke „BioLite“, die vor allem für ihre innovativen Camping-Öfen bekannt ist. Das New Yorker Unternehmen entwickelt Energie erzeugende Produkte – so auch den „BioLite Camp Stove“, der etwa mit „Westerwälder Holzpellets“ befeuert werden kann (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete). Der „Camp Stove“ ist im Prinzip ein thermo-dynamischer Generator, der Strom als „Abfallprodukt“ liefert: So kann man während des Kochvorgangs über einen USB-Anschluss elektrische Geräte betreiben. Die Leistung – sie liegt bei etwa acht, neun Watt – reicht aus, um zum Beispiel ein „iPad“ zu laden. Der eingebaute Ventilator des Geräts sorgt zudem für eine saubere und effiziente Verbrennung der „Westerwälder Holzpellets“. Und eben diese benötigt der „BioLite“-Versender für die Käufer seiner Öfen, weshalb Yesim Dasbasi fleißig den Brennstoff in der benötigten Menge verpackt.

„Mit der Caritas in Rotenhain arbeiten wir schon ‚ewig‘ zusammen“, blickt Markus Mann zurück. Vor fast 20 Jahren, so der Chef der WWP, habe man in deren Werkstätten erstmals kleine Tüten mit je 200 Gramm Holzpellets füllen lassen: so enthielten die Säckchen genau die Menge, die eine Kilowattstunde Energie liefert. Bei Messeauftritten oder den „Tagen der offenen Tür“ in Langenbach sind die von Beschäftigten der Werkstätten fertiggestellten Artikel seither beliebte „Giveaways“ und außerdem die Grundlage für eine lange Zusammenarbeit zwischen MANN und Caritas.

Uwe Schmalenbach