Neue Teile im Wochentakt

Kräne, Bagger, viele Handwerker: Beinahe hat man das Gefühl, im Moment bleibe auf dem Betriebsgelände der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) kaum ein Stein auf dem anderen. Tatsächlich ist der Eindruck nicht völlig falsch: In diesen Wochen wird die größte und komplexeste Einzelinvestition der bisherigen, fast 100-jährigen Geschichte des Familienunternehmens umgesetzt. Darüber sprach Uwe Schmalenbach mit Prokurist und Projektingenieur Daniel Rahn sowie dem Abteilungsleiter des WWP-Sägewerks, Jan-Philipp Alhäuser.

Daniel Rahn (links) und Jan-Philipp Alhäuser wollen im Dezember das erste Holz auf der neuen Sägelinie schneiden. Fotos: Schmalenbach

Es gibt bei den „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) ja häufiger Baustellen, da oft vorhandene Anlagen optimiert werden. Die Bauarbeiten, die man derzeit sieht, scheinen jedoch ungewöhnlich umfangreich zu sein…

Jan-Philipp: Es sind momentan ja auch zwei Baustellen. (lacht)

Daniel: Einerseits bauen wir eine zweite Sägelinie auf unserem Betriebsgelände. Und als Folge daraus brauchen wir andererseits mehr Lagerfläche für das Rundholz, für andere Holzsortimente – sprich: Wir müssen auch unseren Rundholzplatz erweitern. Das ist die von Jan-Philipp angesprochene zweite Baustelle.

Wofür ist es überhaupt erforderlich, eine zweite Sägelinie zu bauen?

Daniel: Das ist ein Schritt innerhalb des Gesamtkonzeptes, mit dem wir uns zukunftsfähig machen. Wir wollen uns damit dem Markt weiter öffnen und nicht nur, wie bislang, dünne Durchmesser sägen, sondern unser Portfolio erweitern und künftig ebenso Starkhölzer schneiden können – bis hin zu einem Meter Durchmesser! Der Stamm muss allerdings erst einmal aufs Gelände kommen. (schmunzelt)

Jan-Philipp: Zudem hat eine Bandsäge, wie sie die neue Sägelinie bekommen wird, viele Vorteile.

Zum Beispiel welche?

Jan-Philipp: Wir erwarten damit eine deutlich höhere Ausnutzung des Holzes. Wir erhalten „mehr Schnittholz pro Rundholz“ im Vergleich zur herkömmlichen Sägelinie. Wir können außerdem weitere Produkte anbieten, wir können Laubhölzer schneiden, wenn es erforderlich ist. Wir werden variabler.

Bisher verarbeiten die WWP ausschließlich Nadelhölzer?

Jan-Philipp: Ja.

Und in der Zukunft ebenso Laubholz, weil Nadelhölzer wie die Fichte hier im Westerwald durch den Klimawandel verschwinden?

Daniel: Wir wissen ja heute noch nicht, was in den kommenden Jahren im Wald gefällt und was neu angepflanzt werden wird. Mit der neuen Technik sind wir flexibler, um uns veränderten Situationen anpassen zu können.

Was ist für diese Flexibilität jetzt alles auf den besagten Baustellen zu errichten?

Daniel: Als wir uns 2016 dazu entschlossen hatten, überhaupt eine (erste) Sägelinie zu bauen – damals fiel die Wahl auf unsere stofflich-energetisch optimierte Sägeanlage (SEO) –, war unsere Idee, eine solche Schwachholzsägelinie einige Zeit später in identischer Bauart in einer zweiten Linie nebendran in die Halle zu stellen. Diese Planung hat sich durch den Klimawandel verändert, weil die Schwachhölzer, wie man sie dafür braucht, zusehends weniger im Markt vorhanden sind. Darum weichen wir nun von dem alten Plan ab und bauen die Blockbandsäge. Damit geht auch die besondere Schwierigkeit unserer derzeitigen Baustellen einher.

Worin besteht die?

Daniel: Die Halle war fertig, das Umfeld wurde daran angepasst. Jetzt brauchen wir aber auf einmal mehr Platz für eine zweite Linie, als wir damals vorgesehen hatten; die neue Säge ist vier- bis fünfmal so groß wie die vorhandene SEO! Dementsprechend müssen wir die bestehende Halle vergrößern. Und es ist eben nicht einfach ein größeres Gebäude „auf der grünen Wiese“ neu zu bauen. Stattdessen bauen wir im Bestand. Das ist die Schwierigkeit. Wir haben dabei wenig Platz, müssen mit dem vorhandenen Raum zurechtkommen. Das ist im Moment unsere Aufgabe, das passend zu koordinieren. Dazu müssen wir uns viel Detailarbeit angucken.

Eine Schwierigkeit: Der bisherige Sägewerksbetrieb und die Baumaßnahmen müssen im wahrsten Wortsinn parallel erfolgen.

Könnt Ihr Beispiele für solche Details nennen, die es kompliziert machen?

Jan-Philipp: Hauptsächlich die Schnittstellen zwischen unseren einzelnen Maschinenlieferanten. Denn wir haben ja nicht nur einen einzigen, sondern fünf oder sechs. Quasi zwischen allen Einzelteilen gibt es eine Schnittstelle.

„Einzelteilen“?

Jan-Philipp: Wir haben eine Rundholzaufgabe, die entrindet und den Wurzelanlauf reduziert. Das allein sind schon zwei verschiedene Hersteller. Als nächstes die eigentliche Sägelinie. Danach geht es auf das sogenannte Stapelwerk zum Abstapeln des Schnittholzes. Und die „Entsorgung“ der Sägenebenprodukte ist ein weiteres, eigenes Kapitel.

Daniel: Das sind die Schnittstellen mit den Lieferanten. Die anderen Schnittstellen sind die in unserem Betrieb: Wir müssen die Verbindung zu unserem Rundholzeingang schaffen, die Schnittstelle zur Bretterabstapelung und Nachschnittsäge herstellen. Ebenso die Stromanbindung: Das sind riesig große Maschinen, die einiges an Änderungen an unserer internen Strombereitstellung erfordern. Dafür benötigen wir etwa eine komplett neue Trafoanlage. Außerdem sind da noch die Wege im bestehenden Unternehmen.

Was meinst du damit?

Daniel: Zum Beispiel müssen wir mit der neuen Sägelinie an einer Stelle die alte Sägelinie kreuzen. Da läuft ein „Kratzkettenförderer“ durch die bestehende Sägelinie förmlich mitten hindurch! Wir müssen dazu ein Loch in eine Verblechung schneiden, weil dort ein zweiter Förderer kreuzt. Und solche Punkte haben wir halt mehrere. Da muss man gucken: Passt das? Passt das nicht? Klar, auf dem Papier, in Plänen passt es, doch wie ist es montierbar? Die alte Halle wurde nach und nach logistisch sinnvoll aufgebaut, als sie neu errichtet wurde. Wenn ich jetzt aber irgend eine schwere neue Maschine da einbringen will, haben wir entweder die Wahl, alles Vorhandene erst einmal zurückzubauen, was allerdings bedeuten würde, dass unser Betriebsprozess lange ruhen müsste. Die Alternative ist halt, mit Kompromissen zu planen, so dass die alte Linie weiterlaufen kann, die Bauarbeiten drumherum dennoch erfolgen können.

Welche Kompromisse sind dazu notwendig?

Daniel: Beispielsweise müssen manches Mal Löcher ins Dach der bestehenden Halle geschnitten und kurzzeitig das Dach aufgedeckt werden, damit die Maschine hineingehoben werden kann. Anschließend muss das Dach wieder geschlossen werden. Das bedarf viel Koordination…

Daniel Rahn markiert jene Stelle, an der die neue die alte Sägelinie kreuzen muss.

Vorhin fiel das Stichwort „Entsorgung“: Wird es bei der Blockbandsäge ebenfalls so sein, dass die Sägenebenprodukte wie Holzspäne über eben diese Entsorgungseinrichtungen einer sinnvollen Weiterverwertung zugeführt werden können?

Jan-Philipp: Ja. Wir setzen dabei auf ein innovatives Produkt der Firma Rudnick & Enners. Das Ding nennt sich „Twin Chipper“.

Was ist das und was tut es?

Jan-Philipp: Das ist quasi eine Kombination aus einer Hammermühle und einem Hacker, die hacken und mahlen in einem kann, so dass hinten im Prinzip ein trocknungsfähiger Span herauskommt. Und da wir trotz aller Veränderungen wohl weiter hauptsächlich Nadelholz schneiden werden, gehen diese Späne direkt in die Pelletproduktion.

Ist das bisher nicht auch schon so?

Jan-Philipp: Ja, doch zukünftig ohne Umwege.

Umwege?

Jan-Philipp: Bisher sieben wir das Material, müssen es noch einmal zerkleinern in der Hammermühle oder in einem separaten Hacker, wenn wir übergroße Stücke haben. Das entfällt dann alles.

Die Sägespäne gehen somit direkt auf den Bandtrockner, mit dem ihnen vor dem eigentlichen Pressen zu Westerwälder Holzpellets noch Feuchtigkeit entzogen wird?

Daniel: Genau richtig. Wir machen also mit den Sägenebenprodukten nichts anderes als bisher, es ist derselbe Zweck, die Nutzung für hochwertige Pellets. Aber wir lernen dazu und wollen immer optimieren, und künftig ist die Spänenutzung eben optimiert.

Würde man aus den Sägenebenprodukten von Laubholz eigentlich genauso Pellets machen können?

Daniel: Ja, kann man, aber Laubhölzer sind gänzlich anders anzupacken als unsere Nadelhölzer.

Was unterscheidet sich?

Daniel: Nun, etwa wie man die Presskanäle in den Matrizen gestaltet, durch die die Späne zu Pellets gepresst werden: Wie lang sind die? Wie laufen sie konisch zu? Es gibt quasi für jede Holzart eigenes Know-How, das ist ein richtiges Handwerk für sich!

Knapper Zeitplan: Noch ist nicht zu erkennen, das auf diesem Fundament bald schon der Bandsägewagen laufen wird.

Noch einmal: Aber möglich wäre es, aus den Laubhölzern Pellets zu machen?

Daniel: Kein Problem! Es taucht dabei oft die Frage auf, welcher Pellet einen höheren Heizwert hat: der aus Nadelholz oder der aus Hartholz?

Und?

Daniel: Es ist in der Tat so, dass wir die Dichte des gepressten Materials im Pellet durch den Pressvorgang selbst bestimmen. Und damit den Heizwert, deswegen sind wir eigentlich neutral bei diesem Vergleich. Sprich: Für den WWP-Kunden ist es also egal, aus welchem Material seine Holzpellets sind, sie haben später immer dieselbe Qualität und dieselben Eigenschaften beim Heizen. Man hat halt bisher einfach Nadelholz verwendet. Auch deswegen, weil wir bis jetzt sehr viel Schnittholz für die Verpackungsindustrie liefern. Und die möchte Nadelholz haben, denn in ein Eichen-Brett einen Nagel einzuschlagen, geht nicht so leicht… (schmunzelt)

Und deswegen werden Nadelhölzer weiter das Gros im WWP-Sägewerk ausmachen?

Daniel: Richtig, doch wenn im Wald mal eine Reihe Buche oder Ahorn dazwischen steht, können wir die halt ebenfalls mitnehmen. Die schneiden wir dann allerdings nicht zu Brettern für die Verpackungsindustrie, sondern daraus werden Bohlen gemacht – zur Weiterverarbeitung in Schreinereien, die dann einfach Bohlen bei uns ordern und nicht einzelne Bretter.

Eben haben wir noch die zweite derzeitige Baustelle angesprochen: Sie ist gleichermaßen wegen der neuen Sägelinie erforderlich?

Jan-Philipp: Ja, um den Rundholzsortierplatz als Lagerfläche auszuweiten. Es ist ja so: Bedingt durch den Anbau am Sägewerk verlieren wir an der Stelle eine gewisse Fläche an unserem bestehenden Platz und müssen Holzpolter verlegen. Denn obwohl wir für die Bandsäge fast gar nicht mehr vorsortieren müssen – außer in der Länge –, brauchen wir einen gewissen Vorrat, da wir kein „Online-Sägewerk“ sind und das Holz, das gerade vom Lkw kommt, nicht direkt schneiden können. Bei der bestehenden Sägelinie geht das sowieso nicht.

Warum nicht?

Jan-Philipp: Da wird erst sortiert nach Qualität, Stärke und Länge des Rundholzes. Das ist mit der Bandsäge so nicht mehr notwendig. Da können wir, wenn wir zum Beispiel im einen Moment 300 Millimeter als Mittendurchmesser schneiden, im nächsten 900 schneiden oder auch 1.000 – das ist ganz egal.

Wie funktioniert das? Muss der Bediener die Säge auf jeden Stamm neu einstellen?

Täglich gibt es auf den Baustellen neuen Abstimmungsbedarf für die beiden WWP-Mitarbeiter.

Jan-Philipp: Nein! Das ist ein interessanter Punkt, den du ansprichst: Wir haben in eine 3-D-Eingangsmessung im Werk investiert und eine Wiedererkennung auf dem Bandsäge-Wagen. In einem Zwischenschritt passiert eine automatische Berechnung. Dabei legt der Computer ein mögliches Schnittbild in den jeweiligen Stamm hinein, visualisiert es dem Bediener, und die Säge schneidet es vollautomatisch aus dem Stamm. Der Mitarbeiter muss nichts machen, außer zu bestätigen, dass der Stamm richtig eingespannt ist. Der Bediener wird mit der neuen Technik also auch stark entlastet.

Daniel: Somit erhalten wir eine ideale Schnittholzausbeute aus einem Stamm heraus. Was im Sinne der Nachhaltigkeit natürlich vernünftig ist.

Bleibt nur noch eine Frage zum Schluss: Wann wird das alles fertig sein? (Daniel und Jan-Philipp lachen)

Daniel: Im Dezember wird das erste Holz gesägt. Das ist unser Ziel. Aber das ist jetzt alles sehr stramm getaktet bis dahin.

Jan-Philipp: Wir erwarten beinahe im Wochentakt Teile für die neue Linie.

Daniel: Genau. Schon in einer Woche steht idealerweise eine neue Halle – von der du heute noch gar nichts siehst. Das ist schon alles wirklich krass! Doch letztlich dient diese ganze Mühe dazu, das Thema Energiewende und unseren sinnvollen Umgang mit einem natürlichen und zugleich dem einzig nachwachsenden Rohstoff weiter voranzubringen, wofür unser Unternehmen seit jeher steht.