Mannschaft und Material für Sicherheit
/Die Dinger scheinen ein ordentliches Gewicht zu haben. Markus Mann kann eines davon nur mit ganzer Kraft ins Metallregal in einer Halle auf dem Gelände der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) hieven. „Das sind Ersatz-Kolben für den Spilling“, ächzt er. Der „Spilling“, das ist ein Motor des gleichnamigen Herstellers, in welchem 330 Grad heißer Dampf, den die WWP in ihrem Biomasse-Heizkraftwerk erzeugen, über eben solche Kolben in vier Zylindern einen Generator antreibt, der so „grünen“ Strom produziert. „Muss ein Kolben ausgetauscht werden, steht die Anlage länger – wenn man kein Ersatzteil zur Hand hat“, erläutert Mann.
„Habt ihr noch?“ Diese telefonische Frage hören die Mitarbeiter der „Westerwälder Holzpellets“ momentan vielfach am Tag. Dabei geht es um Holzpellets als lose Ware wie in Säcken, mit der die Anrufer in der kommenden Heizsaison ihre Stube warm halten wollen.
Die sorgenvolle Erkundigung nach der Lieferfähigkeit wurzelt offenbar unter anderem in der Erfahrung von Verbrauchern, die erleben, dass ihr früherer Lieferant keine Holzpellets mehr bringen kann. Daher wächst die Furcht, dass die heimische Heizung im nächsten Winter kalt bleiben könnte.
„Wir stellen allmählich fest, dass in unserem Umfeld scheinbar einige Kollegen-Betriebe nicht lieferfähig sind“, erklärt WWP-Chef Markus Mann die Ursache für die vermehrten Anrufe bei seinem Unternehmen, in denen es um die Verfügbarkeit des CO2-armen Brennstoffs geht. „Wir haben unsererseits schon vor einem halben Jahr umstellen müssen auf eine veränderte Praxis bei der Versorgung: Unsere Stammkunden werden grundsätzlich beliefert. Erstbefüllungen von Neukunden übernehmen wir natürlich ebenso.“ Doch alle anderen ergänzt Mann, dürften nicht darauf bauen, in jedem Fall Westerwälder Holzpellets zu bekommen (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete).
Aber warum gibt es überhaupt einen Mangel, betrachtet man den deutschen Pelletmarkt insgesamt? „Die Lücken, die durch andere Produzenten entstehen, lassen sich nicht ohne Weiteres schließen“, betont der WWP-Chef. Es dauere schlichtweg, neue Pelletwerke zu bauen. Bei einigen Pelletierern sorgten Brände in jüngerer Vergangenheit dafür, dass sie die gewohnten Mengen derzeit nicht mehr erzeugen können. Es gibt also schlicht Ausfälle in der Produktion.
Ein weiterer Grund für die Verknappung scheint der Rückgang der Auftragseingänge in der Sägeindustrie zu sein: Wenn weniger gesägt wird, fallen weniger Sägemehl und Hackschnitzel an. Das erhöht die Rohstoffpreise bei der Pelletherstellung und erzeugt einen zusätzlichen Engpass. „Hinzu kommt, was Sie in der ‚Wäller Energiezeitung‘ schon einmal berichtet haben, dass nämlich die Mengen, die vor dem Krieg aus Russland, der Ukraine und Belarus nach West-Europa importiert wurden, ausfallen“, fügt Mann an. Diese summierten sich alleine auf etwa 3,5 Millionen Tonnen Holzpellets im Jahr.
Und dann ist da noch das enorme Wachstum im Segment Holzpellets, das im Zuge der notwendigen Energiewende immer größer wird: Die Anzahl der Pelletfeuerungen in Deutschland hat sich binnen eines Jahrzehntes mehr als verdoppelt, wie Zahlen des „Deutschen Energieholz- und Pelletverbandes“ ausweisen. Ferner steigt die Nachfrage nach Holzpellets wegen der Gasknappheit in Deutschland an: Etliche Haushalte, in denen eine Gaszentralheizung installiert ist, schaffen zusätzlich einen Pelletofen an – um im Fall der Fälle damit heizen zu können, wenn es gar kein Gas mehr geben sollte, worauf der Bundeswirtschaftsminister momentan fast täglich in den „Tagesthemen“ vorbereitet. Industrieunternehmen erhöhen den Nachfragedruck ebenso. Denn Firmen, die für ihre Fertigung bisher Erdgas in einer Rostfeuerung nutzten, versuchen, sich durch die Umstellung auf Holzpellets ebenfalls unabhängiger zu machen von dem fossilen Energieträger.
„Während der ‚Corona‘-Hochphase haben die Leute das Klopapier-Lager quasi vom Regal im Laden in ihren eigenen Keller oder die Vorratskammer verlagert. Dann war das Regal leer, aber der Keller voll. Bei den Pellets wird jedoch nicht nur das Lager umgeräumt – wir haben zusätzlichen Verbrauch“, gibt Markus Mann zu bedenken. „Der Mehrbedarf kann jedoch nicht mit einem Fin- gerschnippen mit dem Bau von neuen Pelletwerken aufgefangen werden.“
„Wir sehen uns für unsere Heimat, für die Region gut gerüstet!“, antwortet der WWP-Geschäftsführer auf die Frage, wie es um das Lager seines Unternehmens bestellt sei. So entstehe kaum zehn Kilometer Luftlinie entfernt ein neues Pelletwerk am Standort der „Holzindustrie Hassel“, „dessen Ware wir in Zukunft komplett vermarkten dürfen“, stellt er in Aussicht. „Kurzfristig für die nächste Saison löst das einen möglichen Engpass indes noch nicht – das muss man auch so sagen. Wenn jemand in der Mittelgebirgsregion von Westerwald, Sauerland, Taunus mit Pellets heizen will, wird das dennoch gut klappen. Es sind hier einige große Pelletwerke im Entstehen oder in Betrieb und werden erweitert – in der direkten Nachbarschaft ein Wettbewerber bei Neuwied, dann eben die ‚Sägeindustrie Hassel‘, im Sauerland ist ebenfalls ein großes neues Werk beim Sägewerk Pieper entstanden. Somit kann sich derjenige hier wohlfühlen, der gerne mit Pellets heizen möchte.“
Allerdings nur dann, wenn die bereits vorhandenen Werke ihre theoretischen Produktionskapazitäten auch praktisch dauerhaft ausschöpfen können. Und da kommt der „bleischwere“ Kolben wieder ins Spiel: „Wir sind heute bei einem Ersatzteilbestand im Wert von fast zwei Millionen Euro“, schildert Markus Mann. „Einfach nur, um immer jeden Tag zu funktionieren – wir versuchen möglichst alles, das kaputtgehen könnte, einmal in Reserve im Werk zu haben, um ein defektes Teil schnell selbst ersetzen zu können und so unseren Betrieb und damit die Lieferfähigkeit zu sichern. Aufgrund einer sehr gut geschulten Mannschaft im mechanischen wie elektrischen Bereich fühlen wir uns auf diese Weise sehr sicher: Wir haben zu den Ersatzteilen im Lager eine hohe Eigenkompetenz und Kapazität, so dass wir im Fall der Fälle nicht erst auf Dritte warten müssten. Durch die tolle, flexible Mannschaft, die es nicht leid wird, manches Mal zu unmöglichen Zeiten den Betrieb am Laufen zu halten, profitieren unsere Kunden, weil sie es im Winter warm haben werden.“
Uwe Schmalenbach