Gülle reduziert CO2-Bilanz auf dem Hubertushof
/Wenn man den zehn Kilometer langen Prädikats-Rundweg „Hohe Hahnscheid“ wandert und auf dieser „WällerTour“ rund um die 433 Meter hohe, markante Erhebung im reizvollen oberen Westerwald unterwegs ist, die dem Pfad seinen Namen gibt, dann erblickt man kurz vor der Rückkehr zum Startpunkt in Irmtraut den Hubertushof. Vielleicht bemerkt man dessen auffällig bunte Biogasanlage. Was man im Vorbeilaufen gleichwohl nicht sieht: Der Milchviehbetrieb hat eine umfassende Klimabilanz, und ausweislich derer einen vergleichsweise geringeren CO2-Fußabdruck. Hauptgrund dafür ist ausgerechnet die Biogasanlage, zu deren Entstehung einst eine Förderung von „MANN Energie“ beitrug.
Vor 50 Jahren wurde der heutige Hubertushof als Aussiedlerhof am nördlichen Rand der Ortsgemeinde Irmtraut gegründet. Während das Vieh in vielen Wäller Ställen seine Tage seinerzeit noch angebunden verbringen musste, wurde auf dem Hubertushof schon damals der erste Boxenlaufstall des Westerwaldes errichtet. Seither habe das Thema Tierwohl natürlich immer mehr Bedeutung erhalten, betont Landwirt Matthias Müller, Sohn der Hof-Gründer. So wurden die Stallungen immer wieder vergrößert, damit die Tiere zusehends mehr Platz erhielten. Sie entscheiden jederzeit, wann sie fressen gehen oder sich in eine der Liegeboxen zurückziehen.
Lebten zu Beginn 60 Milchkühe auf dem Hubertushof und auf dem zuvor im Dorf beheimateten Vorgängerbetrieb erst 30, werden heute knapp 300 Tiere bei Matthias Müller gefüttert, gemolken, betreut. Im Schnitt der Herde 30 Liter Milch gibt eine Kuh am Tag – es seien Hochleistungslebewesen, hebt Müller hervor, die entsprechend gutes Futter benötigen.
Einst wurde noch mit Heu gefüttert, längst ist diese Nahrung durch Gras- und Maissilage aus eigenen Fahrsilos abgelöst worden, die eine höhere Energiedichte liefert. Die Ausgangspflanzen werden auf den 250 zum Hubertushof gehörenden Hektar Land angebaut, er deckt den gesamten Grundnahrungsbedarf der Milchkühe selbst. Anstelle von Sojaschrot aus Amerika oder Brasilien, das sowohl hinsichtlich möglicher Gentechnik als auch des CO2-Fußabdrucks und der oft im Zusammenhang stehenden Regenwaldabholzung bedenklich ist, bekommen die Milchkühe Reststoffe aus heimischer Rapsölproduktion als hochwertiges Eiweißfutter zusätzlich, ebenso Zuckerrübenschnitzel und Biertreber. Somit erfolgt über die Tiermägen außerdem eine sinnvolle Resteverwertung
Im Jahr 2000 wurde auf dem Anwesen am Rand von Irmtraut nicht nur ein weiterer Kuhstall neu errichtet, zudem entstand die erste Biogasanlage. Ein Grund für den Bau sei seinerzeit gewesen, Ärger aufgrund der Geruchsbelästigung durch das Ausbringen frischer Gülle zu vermeiden, erzählt Matthias Müller: „In der Biogasanlage wird die Gülle vergoren. Vergorene Gülle stinkt nicht mehr so wie die frische. Sie wird zudem ein effizienterer Dünger, da durch das Vergären ein besserer Nährstoffgehalt entsteht.“
Allerdings sei die Technologie für das Vorhaben damals noch relativ teuer gewesen, blickt der Landwirt zurück. Bei einer Beratung empfahl man ihm, sich deswegen auch mit der Möglichkeit zu befassen, mit der vergorenen Gülle „grüne Energie“ zu produzieren. „Nicht nur, um die Kosten aufzufangen, sondern irgendwann vielleicht sogar etwas Geld damit zu verdienen.“
Eine Förderung des Landes Rheinland-Pfalz für Pilotanlagen half dem Landwirtschaftsmeister. Zudem gab es einen Zuschuss von „Naturstrom Rheinland-Pfalz“: Diesen hatte „MANN Naturenergie“ gemeinsam mit der Koblenzer Elektrizitätswerk und Verkehrs-AG gegründet (der Langenbacher Energieversorger ging allerdings ab 2007 komplett eigene Wege). „MANN konnte mithilfe von Einnahmen aus dem Verkauf von mit dem ‚Grüner Strom Label‘ zertifizierter Energie über ‚Naturstrom‘ ein so innovatives Projekt sponsern“, erinnert sich Firmenchef Markus Mann.
Und so ging die erste Biogasanlage auf dem Hubertushof bald darauf in Betrieb, verringerte nicht nur die Geruchsbelästigung durch die Gülle, sondern erzeugte über einen vom daraus entweichenden Gas angetriebenen Motor außerdem 55 Kilowatt (kW) elektrische Energie! Zwar habe sich das Projekt die ersten zwei, drei Jahre noch nicht gerechnet, doch mit einer später geänderten Einspeisevergütung wurde Biogas-Strom vom Hubertushof irgendwann sogar ein wirtschaftlich interessanter Erwerbszweig, berichtet Matthias Müller: „So ist Energieerzeugung mittlerweile ein zweites Standbein neben der Milch.“
Die aktuelle, 2016 neugebaute Biogasanlage liefert sogar 75 kW. Die Gülle kommt aus vier Lagerbehältern, die vom Stall aus befüllt werden. Die alte Biogasanlage wurde ebenfalls zur Lagerstätte umgenutzt. 20 bis 25 Kubikmeter Gülle am Tag treiben die Vorrichtung an, außerdem wird etwas Strohmist zum Beispiel aus dem Abkalbbereich hinzugegeben.
Die Effizienz der Anlage sei inzwischen natürlich erheblich besser als bei Beginn, führt der Hofchef aus. Die Hinterlassenschaften der 300 Kühe reichen vollständig aus, um die 75 Kilowatt hervorzubringen – es wird auf dem Hubertushof darum keinerlei Mais in der Biogasanlage „verfeuert“! Es gelingt, die notwendige Prozesstemperatur von 40 Grad, auf die die mit zehn bis 15 Grad ankommende Roh-Gülle zum Vergären gebracht werden muss, alleine mithilfe der Abwärme des vom Methan aus der Gülle angetriebenen Gasmotors zu erreichen. Zwei zum Hof gehörende Wohnhäuser werden, genauso wie die im Winter temperierte Melkanlage, über Fernwärmeleitungen ebenfalls mit der Abwärme aus der Biogasanlage beheizt. „Dadurch sparen wir seit zwei Jahrzehnten das klimaschädliche Heizöl ein!“, stellt Matthias Müller heraus.
Matthias Müller hat 2016 die ohnehin starke regionale Verankerung des Betriebs auch im Biogasbereich forciert: Zwei Kollegenbetriebe in den Nachbarorten Ailertchen und Hellenhahn hätten nach Absprache in dem Jahr die gleiche Technik aufgebaut, „so dass wir uns gegenseitig etwas aushelfen können.“
Es ist schon beeindruckend, welche technologischen Aspekte der „veredelten Gülle“, wie Matthias Müller es formuliert, für eine weniger klimaschädliche Landwirtschaft sorgen: Auch beim Ausbringen der vergorenen Gülle mittels speziell dafür angeschaffter Technik ergebe sich ein Vorteil. Sie werde direkt am Boden in Reihen abgelegt und nicht breitflächig darauf gesprüht. Dadurch minimiere man Nährstoffverluste und spare an anderer Stelle Mineraldünger ein. GPS-Technik an den Maschinen und zwei Traktoren mit Lenkautomat erlaubten es, „bei 24 Metern Arbeitsbreite auf den Zentimeter genau zu fahren!“
Man merkt: Der Hofherr (der die Betriebsleitung inzwischen seinem Schwiegersohn übertragen hat) macht sich eine Menge Gedanken darum, wie hocheffiziente Landwirtschaft, die zur Stillung unseres großen Lebensmittelbedarfs derzeit noch unverzichtbar ist, ökologisch besser werden kann, selbst wenn es sich nicht um einen Biobetrieb handelt. So hat Müller Klimabilanzen des Hubertushofs anhand zweier verschiedener Modelle erstellen lassen. Darin finden sich Handlungsempfehlungen, wie sich die Effizienz des Betriebs noch steigern lasse, ohne aber mehr Energie zu verbrauchen, was den CO2-Fußabdruck des Bauernhofs in der Verbandsgemeinde Rennerod weiter senken soll. Sein Ziel sei es, unterstreicht Müller, den derzeit noch bei 757 Gramm Kohlendioxid liegenden Fußabdruck für die Herstellung eines Kilogramms Milch im kommenden Jahr auf 728 Gramm zu verringern.
In den beiden Klimabilanzen des Hubertushofs finden etliche Faktoren Berücksichtigung, das Alter der benutzten Maschinen geht ebenso ein wie der Kraftfutteranteil, die Milchleistung der Kühe oder deren „Nutzungsdauer“. Ein Ergebnis der vor einem Jahr erstellten Auswertung: Der CO2-Fußabdruck der Milcherzeugung auf dem Hubertushof war mit exakt 757 Gramm CO2 je Kilogramm Milch schon zuvor 20 Prozent kleiner als in Vergleichsbetrieben. Eine Hauptursache dafür, so hält es die von der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz betreute „Klima Farm Bilanz“ fest, sei „die zügige Überführung der anfallenden Gülle in die Biogasanlage. Dadurch werden Emissionen aus der Güllelagerung vermieden.“
Schon vor der offiziellen Klimabilanz hat Matthias Müller versucht, die Umweltbelastung der Landwirtschaft stetig zu verringern. Ein Beispiel dafür ist die Nutzung des Trinkwassers für die Kühe aus einem eigenen Brunnen: Dieses wird zunächst durch einen mit der Milchkühlung verbundenen Wärmetauscher geleitet. Das Wasser entzieht Wärme, seine anschließend erhöhte Temperatur sei für die Kühe sogar vorteilhaft. Für die Kühlung der Milch braucht im Gegenzug weniger Strom aufgewendet zu werden, der Wärmetausch bringt eine Abkühlung von zehn auf vier Grad Celsius. Eine Wärmerückgewinnung an der Kühlanlage produziert zusätzlich heißes Wasser zum Spülen der Apparatur.
„Solche Dinge haben wir schon vor der Klimabilanz gemacht, aber mich interessieren die Stellschrauben, wo wir in Zukunft noch mehr machen können. Das zeigen uns die Analysen. Darum habe ich an dem Beratungsprogramm teilgenommen“, erläutert Matthias Müller seinen Antrieb. Die Nutzungsdauer der Kühe auf 32 Monate zu verlängern ist eine Empfehlung der „Farm Klima Bilanz“. Mit dieser Maßnahme sowie bei weiterer Reduzierung des Stickstoffüberschusses auf Futterflächen würden weitere 84 Tonnen CO2 eingespart. Zum Vergleich: Dafür müssten 270 Dreipersonenhaushalte ein Fünftel ihres Stromverbrauches reduzieren.
Zweieinhalb bis drei Millionen Liter Milch im Jahr geben die Kühe von Matthias Müller. Doch inzwischen ist „grüner Strom“ aus deren Ausscheidungen daneben ein weiterer „richtiger“ Wirtschaftszweig geworden – auch dank der ursprünglichen Förderung der ersten Anlage: Im Jahr produziert der Hubertushof 600.000 Kilowattstunden „grünen Strom“ aus Methan-Gas.
Uwe Schmalenbach